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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Horwood
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oder umdrehen, um nachzusehen, wer hinter dir steht. Stell dir das vor! Das ist der Kielder Forest!«
    Er sah, dass sie weinte.
    »Unsere Mutter Erde fühlt ihren Schmerz, und ich auch. Manchmal kann ich das Alleinsein nicht ertragen und frage mich: ›Warum gerade ich?‹«
    Sie kamen an das schwarze, so schwarze Wasser des Stausees.
    »Tief unter der Oberfläche liegen die Hütten der Männer, die diese Wunde in die Erde graben mussten«, sagte sie. »Komm weiter, Arthur, ich zeige es dir.«
    Sie zog ihn unter Wasser, damit er dessen kalte Leblosigkeit spüren konnte, und er ließ es geschehen.
    »Leute, die auf die kalte Oberfläche über uns blicken«, sagte sie, »ahnen nicht, dass wir darunter sind. Existieren wir? Ich glaube nicht. Du willst fort? Noch nicht, Arthur. Dir soll so kalt werden, dass du den Schmerz der Erde spüren kannst.«
    Sie ließ seine Hand los, und er trieb dahin, ohne die Oberfläche oder den Grund zu berühren, drehte sich im Kreis, die Hände ausgestreckt,das Fleisch wässrig weiß, nicht mehr empfänglich für die Welt oben. Er spürte die Kälte der Erde in jedem Gelenk und Muskel bis hinauf in den Kopf.
    »Judith«, wollte er sagen, damit er nicht allein hier unten war. »Judith ...«
    Es hat zwei Jahre gedauert, bis das Wasser aus den Mooren der Umgebung diese tiefe Wunde gefüllt hat, flüsterte sie mit tiefer, vom Wasser verzerrter Stimme.
    Sie trug ihn hinaus. Wasser lief an ihm herunter, aus seinen Ohren, seinem Mund, seinen Kleidern.
    Als er sich umblickte, war das Wasser des Stausees verschwunden. Da war nur die ursprüngliche Wunde, grauschwarz, eine tiefe Furche in der Flanke der Erde.
    »Wir sehen uns in zwei Jahren.« Sie flog davon und ließ ihn zurück, und er saß da, wartete und sah zitternd zu, wie die Wunde sich füllte, seine Tränen zehntausend kleine Bäche.
    Ich möchte zurück ans Feuer, hätte er gerne gesagt, aber ihm war zu kalt, um etwas zu sagen.
    Eine Nacht, drei Nächte, zwei ganze Jahre?
    Er wusste nicht, wie lange er da oben gesessen hatte, als er merkte, dass sie aus dem Moor in die Menschenwelt zurückkehrten, wieder vorbei an Chattlehope, vorbei an den schwebenden Wassern von Catcleugh.
    Im Cottage erwartete sie ein loderndes Feuer.
    »Habt ihr euch gut amüsiert?«, fragten die Frauen.
    »Ja.«
    »Dann war er also da und hat den Kamin repariert?«
    »Er hat Katherine ins Herz geschlossen«, bemerkte Margaret, und sie lachten über irgendein Geheimnis, das die ganze Sache umgab.
    »Noch eine Nacht«, sagte Judith, »dann muss ich gehen.«
    »Ich habe gerade angefangen, mich hier wohlzufühlen«, sagte Margaret, über deren faltiges Gesicht und runzligen Hände der Feuerschein flackerte.
    Judith schüttelte den Kopf.
    »Ich muss fort«, sagte sie, »denn Byrness ist dem Untergang geweiht. Der Staudamm wird brechen. Morgen früh ...«Sie packten den Wagen im Morgengrauen, schlossen das Cottage ab und nahmen Abschied von dem Ort und der Zeit. Katherine weinte. Mit einem Mal begriff sie. Sie hatte kein Baby mehr. Ihr kleines Mädchen war fort. Der Teenager erwachsen. Sie nahmen Abschied von dem Ort, Judith nahm Abschied von ihnen.
    »Aber Judith ...«
    Judith umarmte Katherine wie eine Frau, nicht wie ein Kind.
    Umarmte sie, wie Jack es tat.
    Umarmte sie voller Liebe.
    Katherine weinte, Judith nicht.
    »Irgendwann muss es sein, Mom. Und jetzt ist es so weit. Ich ... danke dir ... Und sag Dad ...«
    »Das werde ich«, sagte Katherine.
    »Sag ihm, dass ich ihn liebe.«
    »Das werde ich.«
    »Mom?«
    »Hm?«
    »Bin ich hässlich?«
    Katherine drückte sie noch fester. Keine Frage hätte ihr mehr das Gefühl geben können, dass sie geliebt wurde, dass sie gebraucht wurde. »Du bist das schönste Geschöpf auf Erden«, antwortete sie leise, »und du machst mich stolz.«
    »Du bringst mich zum Weinen, und Schildmaiden weinen nicht. Lass mich los.«
    »Deine Schwester hat es getan«, sagte Katherine. »Du wirst es wohl auch lernen.«
    »Lass mich los!«
    Sie lösten sich voneinander und lachten.
    »Ich komme nicht mit«, rief Judith Arthur und Margaret zu. »Mom, leb wohl. Fahrt jetzt los! Fahrt! Es ist höchste Zeit. Ich werde auch dem Mann sagen, dass er gehen und die Hunde mitnehmen soll. Es ist zu gefährlich.«
    »Scheißgefährlich«, murmelte Arthur unhörbar vor sich hin. »Judith, wir sollten auch den anderen ...«
    »Es liegt in der Wurd der Dinge, dass ihr geht und sie bleiben, abgesehen vielleicht von diesem Mann und seinen Hunden ...«
    Sie wandte

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