Das Erwachen
Universums«, ergänzte Katherine.
Mutter und Tochter waren selten glücklicher gewesen.
Traurig, sehr traurig war nur, dass Jack diesen Augenblick nicht mit ihnen teilen konnte.
Später wiederholte Judith: »Der Mann unten an der Straße wird morgen vorbeikommen und die Einfassung neu mauern. Kostenlos ...«
»Wer ist er?«
»Der Mann mit den Hunden. Der größere heißt Morten. Aber nicht streicheln, er beißt. Er war unglücklich, als er jung war.«
Margaret schüttelte den Kopf, Katherine lachte.
»Macht morgen früh kein Feuer, sonst kann er nicht arbeiten. Den restlichen Schutt räume ich weg, bevor ich gehe.«
»Judith, wohin ...?«, begann Katherine.
»Arthur, kommst du morgen mit?«, fragte sie, indem sie Katherine unnötig grob das Wort abschnitt. Der innige Augenblick war so schnell wieder vorbei, wie ihre Stimmung umschlug. »Ich möchte mir etwas ansehen, aber nicht allein.«
Der Gleichmut in Katherines Gesicht wich einem gekränkten Ausdruck.
Arthur warf ihr einen entschuldigenden Blick zu und sagte: »Natürlich.«
»Möglich, dass wir mehrere Tage weg sind.«
»Äh, fein.«
»Ich habe alles geplant. Die Ausrüstung ist gepackt. Sie steht draußen im Schuppen.«
Judith war wie ein ungebärdiger, vagabundierender Sohn, und sie zu haben war, wie Arthur plötzlich begriff, schmerzlich, aber auch ein Privileg. In Jacks Abwesenheit war er für sie eine Art Vaterersatz, und das wusste auch Katherine.
»Um wie viel Uhr?«
»Bei Tagesanbruch.«
Ihre Augen strahlten, aber nervös.
Am nächsten Morgen ging sie voraus, und er hinterher.
»Wohin gehen wir?«
»Über Chattlehope zum Kielderhead Moor, und danach ... na ja ... wir werden sehen.«
Die Namen sagten ihm nichts.
Sie schlug den Weg zum Catcleugh-Stausee ein, dessen Mauer vor ihnen in Sicht kam.
»Hässliches Ding«, sagte er.
»Scheißgefährlich«, sagte sie, aber ihr Grinsen blieb verhalten und ihre Augen blickten sehr ernst.
Es war Sommer, aber hier oben schien es keine Jahreszeiten zu geben.
Die Mücken verschwanden, sobald Wind aufkam.
Er wusste, wie schnell und ausdauernd sie marschieren konnte,aber sie schritt langsamer aus als sonst, passte sich seinem Tempo an, blickte sich häufig um, um sich zu vergewissern, dass er mithalten konnte. Sie nahm Rücksicht, sorgte sich um ihn, und Arthur fühlte sich behütet wie in den Armen eines Kriegsengels.
Sie sprachen nur wenig, und wenn, dann meist in kurzen, aber sehr präzisen Sätzen.
»Margaret ist hier nicht glücklich«, sagte er unvermittelt.
»Mach ihr deswegen keinen Vorwurf. Ich werde bald fortgehen, dann ist es vorbei. Wenn ich gehe, könnt ihr auch gehen.«
»Judith ...«, begann er.
Sie drehte sich um und sah ihn an, und er spürte, dass sie sich schon weit von ihm entfernt hatte, von ihnen allen. Sie war jung, und sie eilte ihnen voraus.
»Ist schon in Ordnung«, sagte sie. »Einem Sturm macht es nichts aus, dass er ein Sturm ist. Nur manchmal wünscht er sich, er wäre nicht der Einzige.«
»Es gibt andere Stürme«, sagte er.
»Ich will keinen Sturm, ich will nicht allein sein, aber es gibt niemand, der ...«
Sie wollte sagen: »... der mich versteht.«
Aber sie wusste, dass das nicht stimmte.
Ihr Dad verstand sie, irgendwie.
Stort verstand sie von allen am besten.
Sie vermisste ihn sehr.
»Arthur?«
»Hm?«
»Warst du jemals verliebt?«
»Ich bin es noch.«
»Wie ist es, wenn der andere nicht da ist?«
»Zuerst hat man das Gefühl, dass einem etwas fehlt, aber mit der Zeit, wenn du jemanden immer mehr liebst und er nicht da ist, blickst du in die Welt und lächelst, weil du weißt, dass er da ist.«
»Ist es bei dir und Margaret so?«
»Ja.«
»Tut es am Anfang weh?«
»Wenn ich mich recht entsinne, ja, aber das ist nicht unbedingt Liebe, sondern Sehnsucht. Das ist etwas anderes. Warum fragst du?«
»Nur so.«
Langes Schweigen folgte. Nur ihre schweren Tritte auf dem morastigen und steinigen Weg waren zu hören, bis sie an ein düsteres Haus aus Granit kamen und stehen blieben.
»Chattlehope«, sagte sie und blickte hinunter auf das schwarze Wasser des Stausees zu ihrer Rechten. Ein Licht strich über seine Oberfläche, als Wind das Wasser kräuselte. Eine Himmelsspiegelung. Trostlos wie Tränen der Einsamkeit.
»Einundsechzig Männer sind bei den Bauarbeiten ums Leben gekommen«, sagte sie. »Sie will Vergeltung, Arthur. Aber ich glaube, es wird etwas noch Schlimmeres geschehen.«
Er fragte nicht, was sie damit sagen wollte. Aber er
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