Das Erwachen
sich von ihnen ab. Im nächsten Moment war sie verschwunden,um dem Mann Bescheid zu sagen oder um zu tun, was auch immer sie in den kommenden Jahreszeiten ihres Lebens tun würde.
»Nach Norden oder Süden, das Tal rauf oder runter?«, fragte Katherine, als Judith fort war.
»Runter und nichts wie weg«, sagte Arthur. »Je schneller wir Catcleugh hinter uns lassen, desto besser. Wenn wir diesen Weg hinauffahren, müssen wir durch den Kielder Forest, und glaubt mir, das würdet ihr nicht wollen. Die Gegend sieht aus, als wäre sie dem Untergang geweiht.«
Katherine lenkte den Wagen sachte auf die Straße, bog in Richtung Tal ab und blickte nicht zurück.
Hinter ihr war Judith längst fort. Der Mann war gewarnt, und mit dem fröhlichen Morten an ihrer Seite stapfte sie wieder den Berg hinauf in den Wald.
Im Schatten der Bäume warteten die Reivers mit ihren Hunden auf sie.
»Kommt«, befahl sie ihnen. »Das Warten hat für euch ein Ende. Jetzt habt ihr endlich eure Königin!«
Sie rannte davon, gefolgt von Morten, und die Reivers galoppierten rechts und links hinter ihr her, mitten durch die grässliche, geschundene, zerstörte Landschaft.
»Seht!« Sie deutete mit dem Finger.
Selbst ein sommerlicher Sonnenaufgang machte es nicht besser.
»Seht, was die Menschen der Erde angetan haben!«
Die Sonne zog über den Himmel dem Abend entgegen.
Weit unten, auf der schmalen Straße, die sich durch den Wald wand, flohen die anderen im Wagen nach Süden, rote Rücklichter in der Landschaft, fuhren nach Hause, nach Woolstone, denn ihre Aufgabe war erfüllt. Judith sah ihnen nach, dann blickte sie in eine andere Richtung. Die Kindheit der Schildmaid war vorüber, aber sie war nicht allein.
»Du siehst krank aus«, sagten die Reivers.
»Ich werde älter«, antwortete sie. »Und ich habe viel zu tun. Welche Jahreszeit haben wir?«
»Hier oben ist immer Winter. Unten im Süden könnte Sommer sein. Aber wie sollen wir das wissen? Wir waren nie da.«
Die Erde erzitterte, als sie das Getrappel ihrer Füße und das schreckliche Pochen ihrer Herzen hörte. Was sie hörte, war sie selbst.
Hinter ihnen im Dunkel der Nacht bekam die große Staumauer des Catcleugh Reservoirs einen Riss, durch den ein erstes Rinnsal sickerte.
Ein Mann hatte bereits die Tür seines Cottages abgeschlossen, aus Gewohnheit den Schlüssel unter die Matte gelegt und hatte Mortens Sohn zu sich gepfiffen, ehe er sich anschickte, den steilsten ihm bekannten Pfad zu erklimmen, der von Byrness nach oben führte. Das Dorf lag in einer sterilen Dunkelheit, in der nur wenige Lichter brannten, und wartete und wartete, untätig, während Kaminfeuer flackerten und ein übellauniger Wind vom Stausee herabwehte.
Lautlos wie eine weiße Schlange, die sich durch die Dunkelheit wand, floss der River Rede schneller und schwoll an, als flussaufwärts das an der Außenwand der Staumauer herablaufende Rinnsal zu einem reißenden Wasserfall wurde.
Dann ertönte ein donnerndes Rumpeln, gefolgt von einem Knall. Beton und Erde barsten. Die flechtenbedeckten Schlusssteine der Brüstung gerieten in Bewegung, die schmalen Lücken zwischen ihnen weiteten sich. Das Wasser, das sie gebändigt hatten und das nun nach Freiheit gierte, schüttelte brüllend seine Fesseln ab und trat seinen Amoklauf an.
Des Menschen Herrschaft über seine Welt begann zu bröckeln.
40
EIN HEILIGER MUMMENSCHANZ
E s ist nicht so, wie es scheint, Jack«, flüsterte Feld, als die Fyrd sie abführten.
Es war gut, dass er dies sagte, denn Jack hätte am liebsten Widerstand geleistet und schon hier, in den äußeren Tunneln Bochums, einen Kampf vom Zaum gebrochen.
»Wir werden sehen«, murmelte er und gab den anderen ein Zeichen, den Mund zu halten, von Protesten abzusehen und vorläufig zu tun, was von ihnen verlangt wurde.
»Sie wollen uns nur vernehmen«, erklärte Feld. »Das tun sie immer, wenn ihnen nichts Besseres einfällt.«
Sie wurden eilends von der belebten Haupthalle in einen hell erleuchteten Gang gebracht, der für Jack wie ein sehr großes Kanalrohr aussah, das gereinigt, grau gestrichen und mit einem Fußboden versehen worden war.
Man führte sie in einen leeren Raum und teilte ihnen mit, dass sie bis zu ihrer Vernehmung am späten Nachmittag hier eingesperrt bleiben würden.
Jack war besorgt, Feld weniger.
»Sie wollen Herr der Lage bleiben«, erklärte Feld. »Offenbar findet gerade eine Feierlichkeit statt, und auf diese Weise halten sie Leute unter Kontrolle, die sie nicht
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