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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Horwood
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glaube nicht«, sagte Barklice in die tiefe Stille hinein, die sie hinterließ, »dass sie mich bemerkt hat.«
    Am Nachmittag kam sie wieder, und sie und Stort unterhielten sich draußen neben den Windspielen über dieses und jenes.
    »Ich kann sie nicht erreichen.« Bei dem Versuch, die untersten zu berühren, hatte sie sich auf die Zehenspitzen gestellt und das Gleichgewicht verloren.
    »Ich schon«, sagte er, was auch stimmte.
    »Sieh mal!«
    Sie beobachteten die Ameisen, die an den haarigen Stengeln der Tomatenpflanzen auf und ab krabbelten.
    Sie legten sich hin und horchten an der Erde.
    »Man kann die Würmer kriechen hören«, sagte er.
    »Wo?«
    »Da unten, da kriechen sie. Dieses Geräusch.«
    »Dieses?«
    »Hmmm ... und weißt du auch, wohin sie kriechen?«
    »Nein.« Sie schüttelte neugierig den Kopf.
    »In deine Ohren.«
    Im ersten Augenblick glaubte sie ihm, dann sprang sie lachend auf, rannte davon, ließ sich von ihm jagen, musste aber stehen bleiben, damit er sie einholen konnte.
    »Du bist langsam.«
    »Und du schnell, aber das solltest du auch sein.«
    Sie setzten sich ins hohe Gras, beobachteten die Insekten, die über ihren Köpfen schwirrten, und die weißen Wolken, die am Himmel dahinzogen.
    »Manchmal tut mir etwas weh. Die Knie und die Schienbeine, alles. Es tut sehr weh.«
    »Wachstumsschmerzen«, sagte Stort. »Hatte ich auch. Die bekommen alle großen Leute. Den lieben langen Tag Schmerzen, Schmerzen, Schmerzen.«
    »Wie heißt dein Freund?«
    »Barklice.«
    »Er sieht traurig aus. Nicht so wie wir.«
    »Er ist auch traurig. Er hat Sorgen.«
    »Oh.«
    Als sie am Feuer gemeinsam Tomaten dünsteten und Brot brachen, fragte sie Barklice: »Warum hast du Sorgen?«
    Er blickte zu Stort, der mit den Schultern zuckte und den Unschuldigen mimte.
    »Weil ich etwas nicht getan habe.«
    »Was?«
    »Etwas.«
    »Sag es mir.«
    »Nein«, erwiderte Barklice.
    Sie kicherte, und zum ersten Mal seit Tagen er auch.
    Sie kam und ging, an diesem wie am nächsten Tag.
    Am dritten sah sie blass und elend aus, da sie die ganze Nacht Schmerzen gehabt hatte. Doch am Spätnachmittag kam sie, nachdem sie im Haus einen Mittagsschlaf gehalten hatte, wieder heraus und sagte: »Sehen wir uns noch einmal die Windspiele an!«
    Diesmal reichte sie höher als Stort und zupfte beinahe eines von seinem Zweig.
    »Nein!«, rief er erschrocken. »Die dürfen wir nicht nehmen.«
    Sie sah ihn bestürzt an und schüttelte den Kopf. »Doch«, sagte sie, tat es aber nicht.
    Sie drehte sich um, ging zu den Tomaten und fand ihre Fröhlichkeit wieder. Sie pflückte eine und gab sie Stort mit einem Lächeln, so unbeschwert und glücklich, wie er noch keines gesehen hatte.
    »Danke«, sagte er.
    Die Windspiele schimmerten in der Nähe, drehten sich, veränderten sich dabei, blieben nie, wie sie waren.
    Bevor er es verhindern konnte, riss sie eines herunter. Es hing an einem goldenen Faden, der so lang war, dass er von ihrer Hand bis zum Boden reichte.
    Sie betrachtete es, und Stort betrachtete sie. Sie war ganz Konzentration, voller Leben und Energie.
    Sie knotete den Faden zu einer Schleife und hängte ihm das Windspiel um den Hals.
    »Du bist mein Freund«, sagte sie, »für immer und ewig.«
    »Ja, das bin ich wohl.« Stort stopfte sich das Windspiel unter die Jacke, überzeugt, dass er sich niemals davon trennen würde.
    Da lief sie lachend zum Haus.
    Der Tag war warm, der Nachmittag klar und lang, die Dämmerung mild. Sie kam wieder heraus und spürte ihn auf.
    Sie sagten nichts, warum auch?
    »Judith ...«, begann er etwas später, denn sie wuchs und die Zeit wurde knapp. Er musste einen Weg finden, mit Jack zu sprechen. »Judith, ich ...« Aber er beendete den Satz nicht.
    »Was?«
    Er schüttelte den Kopf.
    Der Abend kam. Sie musste zum Tee ins Haus, und als sie wiederkam, hörte sie Musik im Wind.
    »Was ist das?«
    »Paley’s Creek«, antwortete Barklice.
    »Können wir da hingehen?«, fragte sie.
    »Nein«, antwortete Barklice.
    »Doch«, sagte Stort und bereute es sofort. »Irgendwann einmal.«
    »Judith, komm und hilf!«
    Es war Margarets Stimme.Sie nahmen auf der Terrasse einen Drink zu sich, jedenfalls Arthur und Margaret. In Erinnerung an alte Zeiten, als Clare noch gelebt hatte. Katherine trank Wasser, Jack eine Cola, und als Judith angelaufen kam, in Kleidern, aus denen sie offenbar schon wieder herausgewachsen war, bekam auch sie eine Cola.
    »Wir werden noch mal versuchen, ihr etwas Passendes zu kaufen«, sagte

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