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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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als sie sich wieder aufrichten will, spürt sie, wie sich etwas Kaltes um ihren Hals legt. Ein magerer Arm, der ihren Hals mit verblüffender Kraft zusammendrückt. Sie bekommt keine Luft und versucht, ihre Handtasche zu öffnen, um an ihre Waffe zu gelangen. Du Dummkopf, warum hast du nicht auch das Magazin im Auto gelassen?
    Übel riechender Atem hüllt ihr Gesicht ein, während das Wesen, das sie zu erdrosseln droht, ihren Kopf gegen die Gitterstäbe drückt. »Wer bist du, dreckige Schnüfflerin?«
    Maria hat sich einen Finger im Reißverschluss der Handtasche eingeklemmt. Sie versucht, eine Antwort hervorzustoßen: »M… Maria Parks. FBI.«
    »Ach, das Ding kann reden! Großer Gott, das Ding kann reden!« Dann brüllt das Wesen in die Dunkelheit hinein: »Schwestern, ich halte den Satan fest! Ich halte den Satan fest, und er hat mit mir geredet!«
    Glucksende Laute kommen von überall her aus dem Gang, und Maria sieht, wie sich weiße Arme aus anderen Zellen recken. Gesichter, aus deren verzerrten Mündern der hasserfüllte Zuruf dringt: »Dreh ihm den Hals um, Schwester! Lass ihn auf keinen Fall entkommen!«, drängen sich an die Gitterstäbe.
    Maria kommt sich vor wie im Hochsicherheitstrakt im Kellergeschoss einer psychiatrischen Klinik, während ihr alles vor den Augen verschwimmt und die Knie unter ihr nachgeben. Endlich kommt sie mit der Hand in die Tasche und umschließt den Griff ihrer Pistole. Ein Blick nach links. Die Fackel tanzt fern in der Dunkelheit: Ihre Führerin eilt die Treppe empor, so rasch sie kann. Maria zieht die Waffe und feuert ein ganzes Magazin an die Decke ab. Im Weiß des Mündungsfeuers erkennt sie mit Entsetzen hinter den Gitterstäben eine Vielzahl von Gesichtern und herausgestreckten Armen. Die Schüsse haben nicht die gewünschte Wirkung, denn der Arm, der sie würgt, lässt nicht locker. Am Rande einer Ohnmacht tastet sie nach einem weiteren Magazin, macht die Waffe schussfertig und hält den Lauf an das Gesicht des Wesens, das sie umklammert hält.
    »Wenn … wenn du nicht in drei Sekunden loslässt, schieß ich dir dein Gebiss heraus.«
    Sie spürt einen Lufthauch an ihrer Wange.
    »Du kannst mich nicht töten, Parks. Das kann niemand.«
    Ein erneuter Blick nach links. Die Fackel nähert sich, und die Gesichter hinter den Gitterstäben weichen unter einem Fauchen wie von Katzen zurück. Gerade, als Maria den Abzug betätigen will, hört sie, wie ihr das Wesen zuflüstert: »Diesmal hast du Glück gehabt, aber glaub nicht, dass du lebend aus dem Kloster rauskommst. Hast du mich verstanden, Parks? Jetzt bist du hier drin und kommst nie wieder raus.«
    Dann lässt der Arm sie schlagartig los, und das Wesen verschwindet mit leisem Rascheln. Eng an die Wand gedrängt, holt Maria mit geschlossenen Augen tief Luft. Sie hört die sich nähernden Schritte ihrer Führerin. Als diese bei ihr angekommen ist, faucht sie sie an: »Haben Sie eigentlich den Verstand verloren? Warum haben Sie geschossen?«
    Maria öffnet die Augen und sieht zu der Alten hin, die hinter ihrem Schleier vor Wut schäumt.
    »Erklären Sie mir lieber, warum die Nonnen hier eingesperrt sind und welcher Verbrechen sie sich schuldig gemacht haben, dass man sie so behandelt?«
    »Was für Nonnen? Wovon reden Sie? Diese Zellen sind über hundert Jahre lang nicht benutzt worden.«
    »Und wieso hat mich dann eine von Ihren Schwestern zu erwürgen versucht, während die anderen wie verrückt gebrüllt haben?«
    »Was für andere?«
    Beunruhigt nähert die alte Nonne ihre Fackel den Gitterstäben. Der Raum ist leer. Fünf Quadratmeter ohne jede Einrichtung und ohne den kleinsten Winkel, in dem man sich verstecken könnte. Fingerdicker Staub bedeckt den Boden. Die Nonne erläutert: »Das waren früher Ruhezellen für diejenigen unserer Mitschwestern, deren Verstand unter der Abgeschiedenheit gelitten hatte. Hier hat man sie eingeschlossen, damit die übrigen ihr Geschrei nicht hören konnten. Das aber liegt über hundert Jahre zurück. Inzwischen bringen wir solche Mitschwestern ins Heim von Holy Gross. Sind Sie sicher, dass Ihnen nichts fehlt?«
    Maria taumelt. Sie hat das Gefühl, irre geworden zu sein.

6
    Ganz oben wird der Gang allmählich hell. Wie ein grauer Fleck in der Finsternis vergrößert sich die Öffnung an seinem Ende, und Maria sieht erneut Schneeflocken herumwirbeln.
    Eiskalter Wind hüllt die beiden Frauen ein. Durch die zusammengekniffenen Lider erkennt Maria Gebäude um den Kreuzgang herum, den sie

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