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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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vermochte, das Gegenteil von Gegenteilen, Urgrund alles Seienden wie alles Nichtseienden, des Guten wie des Bösen.
    Daher schuf der ewige Abgrund das Über-Seiende, das höchste Gute, und das Über-Nichtseiende, das äußerste Böse. Das Über-Seiende nannte er »Gott«, und das Über-Nichtseiende »Satan«. Dann verlieh er den Geistern der großen Gegensätze den Willen, auf alle Zeiten gegeneinander zu kämpfen, um die sechs Milliarden Universen im Gleichgewicht zu halten. Als sich endlich alles zusammenschloss, ohne dass je etwas das Gleichgewicht störte, sah der ewige Abgrund, dass es gut war und schloss sich. So vergingen tausend Jahrhunderte in der Stille der Universen, die immer größer wurden.
    Aber leider erreichten eines Tages Gott und Satan, denen es allein überlassen war, diese sechs Milliarden Universen zu lenken, einen so hohen Stand des Wissens und der Langeweile, dass Ersterer, entgegen der ausdrücklichen Weisung des ewigen Abgrunds, in seinem eigenen Namen ein weiteres Universum schuf. Wegen dessen Unvollkommenheit bemühte sich der Satan mit allen Mitteln, es zu vernichten, damit nicht dies sechsmilliardenunderste Universum die Ordnung aller anderen Universen zerstörte, weil es zu ihm kein Gegenteil gab.
    Da sich der Kampf zwischen Gott und Satan nicht mehr auf das Innere dieses Universums beschränkte, wie es der ewige Abgrund vorgesehen hatte, begann das Gleichgewicht der anderen Universen ins Wanken zu geraten.

20
    Ein Rascheln von Pergament. Maria nimmt das letzte mit der Leuchttinte beschriebene Blatt zur Hand. Es ist ein Auszug aus der Schöpfungsgeschichte. Er liest sich so, als hätten sich die Verfasser jenes Evangeliums streng an die überlieferte Bibel gehalten, um zu berichten, was wirklich geschehen war.
    ∗ ∗ ∗
    Als Gott am ersten Tag Himmel und Erde sowie die Sonne schuf, die seiner Welt Licht spenden sollte, schuf Satan die Leere zwischen der Erde und den Sternen und tauchte sodann die Welt in Finsternis. Am zweiten Tag, als Gott die Meere und Flüsse schuf, verlieh ihnen Satan die Macht, sich zu erheben, um Gottes Schöpfung zu verschlingen.
    Als Gott am dritten Tag die Bäume und Wälder schuf, schuf Satan den Wind, um sie zu entwurzeln, und als Gott Pflanzen schuf, die heilen und beruhigen können, schuf Satan andere, giftige und mit Dornen versehene. Am vierten Tag schuf Gott den Vogel, und Satan die Schlange. Dann schuf Gott die Biene und Satan die Hornisse. Für jede von Gott erschaffene Art schuf Satan einen Räuber, der sie vernichten konnte. Als dann Gott seine Tiere unter dem Himmel und auf der Erde verteilte, damit sie sich vermehrten, gab Satan seinen Geschöpfen Zähne und Krallen und befahl ihnen, die Tiere Gottes zu töten.
    Als Gott am sechsten Tag zu dem Ergebnis kam, dass seine Welt bereit sei, Leben zu erzeugen, schuf er nach seinem Bilde zwei Geister, die er Mann und Frau nannte. Um diesen unerhörten Verstoß gegen die Weisung des Universums zu sühnen, belegte Satan deren unsterbliche Seelen mit einem Bann und säte sodann Zweifel und Verzweiflung in ihr Herz. Außerdem verdammte er die Menschheit, die aus ihrer beider Vereinigung entstehen würde, zum Tode, womit er Gott die Bestimmung seiner Schöpfung fortnahm. Als Gott erkannte, dass der Kampf gegen seinen Widersacher vergeblich war, lieferte er die Menschen am siebten Tag den Tieren der Erde aus, auf dass diese sie verschlängen. Nachdem er Satan in die Tiefen des vom ewigen Abgrund nicht vorgesehenen chaotischen Universums verbannt hatte, wandte er sich von seiner Schöpfung ab, und so war nur noch Satan da, um die Menschen zu peinigen.
    ∗ ∗ ∗
    Evangelium des Satans Die Gefangensetzung des Gaal-Ham-Gaal.
    Sechstes Orakel aus dem Buch der Flüche.
    ∗ ∗ ∗
    Während Maria die beiden letzten Sätze des Pergaments erneut liest, beginnt sie in der Kühle der Bibliothek zu zittern. Der Dämon Gaal-Ham-Gaal, der Herr der Hölle, den Kains Kinder aus den Tiefen der Welt hatten entkommen lassen, jenes unbesiegbare gottgleiche Wesen, war kein anderer als Satan.

21
    Maria schiebt die mit der Leuchttinte beschriebenen Pergamentblätter in den Einband zurück und wendet sich dann noch einmal dem Bericht über Kains Kinder zu. Als Gaal-Ham-Gaal von seinen Ketten befreit war, hatte sich sein boshafter Geist über die ganze Welt ausgebreitet, um die Menschen zu peinigen. Sie folgt dem Weg des Dämons durch weit zurückliegende Kulturen. Sein Wirken in Gestalt gewaltiger Naturkatastrophen und

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