Das Evangelium nach Satan
verlassen daliegenden Straßen von La Valletta. Die Pistole schussbereit unter dem Jackett folgt Cerentino Kardinal Giovanni in kurzem Abstand.
Unter dem unsichtbaren Schutz der Männer von Crucia Malta, einem maltesischen Ableger der Cosa Nostra, biegen die beiden jetzt in die Republic Street ein, die zur Altstadt emporführt. Die feuchtsalzige Luft des Hafens bleibt allmählich hinter ihnen zurück. Die Fensterläden der Häuser, an denen sie vorüberkommen, sind geschlossen. Kein Hund bellt. Man hört kein einziges Auto.
Vor dem Haus mit der Nummer 79 bleibt der Kardinal stehen. Gegenüber befindet sich ein großes Barockhaus, dessen massives Holztor Kameras überwachen. Der Zutritt ist ausschließlich mittels einer Magnetkarte möglich, für die man einen Nummerncode eingeben muss. Eine Messingplatte auf dem rechten Torflügel zeigt die ineinander verschlungenen Buchstaben LB, über denen eine Krone schwebt. Die Lazio-Bank. Sie verwaltet Nummernkonten und hält für ihre Kunden eine große Anzahl Safes bereit.
»Warten Sie hier.«
Hauptmann Cerentino sieht sich rasch um und nickt dann. Fünfzig Meter links von ihm steht ein grüner Lieferwagen mit vier Männern der Cosa Nostra. Vierzig Meter entfernt auf der rechten Seite machen sich zwei als Straßenreiniger der Stadtverwaltung verkleidete Mafiosi mit ihren Geräten zu schaffen.
Giovanni überquert die Straße und bleibt vor dem Eingang stehen. Die Kameras richten sich auf ihn, als er die Magnetkarte einführt und den elfstelligen Zahlenschlüssel eingibt. Nach einigen Sekunden hört man ein leises Knacken. Ein Torflügel öffnet sich. Als der Kardinal eingetreten ist, schließt er sich automatisch hinter ihm.
Sessel stehen auf dem Marmorfußboden im Vorraum, und eine halbkreisförmige Treppe führt zu einer langen Reihe von Schaltern mit kugelsicheren Scheiben. Hinter einem von ihnen sitzt eine junge Frau vor mehreren Bildschirmen. Giovanni tritt näher. Sie hebt den Kopf und weist auf ein Gerät mit mehrfarbigen Tasten. Ihre Stimme ist kalt, professionell, geradezu leblos. »Geben Sie bitte Ihre Identifikation ein.«
Giovanni tippt den chromonumerischen Code aus dem Umschlag ein, den ihm Kardinal Mendoza gegeben hat, und drückt dann auf die Bestätigungstaste. Während die junge Frau den Blick abwartend auf ihre Bildschirme gerichtet hält, betrachtet Giovanni die Gemälde an der Wand über der Schalterreihe. Sie zeigen die Gesichter alter Männer. Die ältesten Porträts hängen links, die aus neuerer Zeit rechts. Ganz unübersehbar eine Familiendynastie.
»Wer sind die Leute?«
»Die Inhaber unserer Bank von den Gründern bis zu Giancarlo Barbi, dem gegenwärtigen Direktor.«
Innerlich erschauert Giovanni. Die Barbi also. Auch diesen Namen hatte Mendoza bei seiner Aufzählung der mächtigsten Familien des Netzes von Novus Ordo genannt. Ihnen gehört nicht nur die Lazio-Bank, sondern auch ein Dutzend weiterer solcher Institute auf der ganzen Welt. Schweiß tritt dem Kardinal auf die Stirn. Da hat Valdez also seine Unterlagen mitten in der Höhle des Löwen deponiert.
Ein Signalton. Die besorgte Falte auf der Stirn der jungen Frau glättet sich. Sie drückt auf einen Knopf, und in der Wand zur Rechten schiebt sich eine Tür auf. Sie ist so perfekt darin eingelassen, dass niemand sie dort vermutet hätte. Die Stufen der Treppe dahinter, die in die Kellerräume der Bank führt, sind mit einem Läufer belegt. Die junge Frau sieht erneut zu Giovanni hin. Ihre Stimme klingt nicht mehr so abweisend wie zuvor: »Sie können jetzt den Tresorraum aufsuchen, Eminenz.«
Kaum hat er den Fuß auf die Treppe gesetzt, als sich die verborgene Tür wieder hinter ihm schließt.
10
Unten fährt automatisch ein Stahlgitter hoch und verschwindet in der Decke. Während Giovanni in einen riesigen Raum mit indirekter Beleuchtung tritt, spürt er den leisen Luftzug einer Klimaanlage. Ein Rechner samt Bildschirm und Sichtblende ist neben jedem der robusten und sehr alten Panzerschränke bündig in eine Edelstahlwand eingelassen. Die Überbleibsel früher üblicher Schließmechanismen bilden einen sonderbaren Kontrast dazu. An manchen sieht man noch große Schlüssellöcher oder die Grundplatten der Einstellräder für Zahlenkombinationen. All das ist mittlerweile überholt, da die Safes in der Lazio-Bank elektronisch über einen digitalen Zugangsschlüssel geöffnet und verschlossen werden.
In Reihe zwölf steht der von Kardinal Valdez gemietete übermannshohe
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