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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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Panzerschrank mit der Nummer 213. Giovanni gibt die auf der Rückseite des Kreuzes der Armen eingravierte Kombination ein. Der Bildschirm leuchtet auf, einige gedämpfte Laute ertönen, die Schließbolzen fahren zurück, die schwere Tür schwingt nach außen auf, und im Inneren des Panzerschranks schaltet sich das Licht ein.
    Sein Blick fällt auf ein Dutzend staubbedeckte Tablare. Sie sind eins wie das andere völlig leer. Beklemmung breitet sich in Giovanni aus. Auch als er sich auf die Zehenspitzen stellt, sieht er nichts. Er tastet mit der Handfläche über das oberste Tablar und stößt auf eine kleine quadratische, nur wenige Millimeter hohe Kunststoffhülle. Er nimmt sie heraus. Mit schwarzem Filzstift hat jemand NO darauf geschrieben. Er öffnet sie, sie enthält eine Mini-DVD. Ein riesiger Panzerschrank für eine Scheibe von etwa acht Zentimetern Durchmesser. Die darauf gespeicherten Daten über das Netz von Novus Ordo sind das komprimierte Ergebnis einer dreißigjährigen Suche. So lange hat Valdez den Geheimnissen des Schwarzen Rauchs nachgespürt. Giovanni lächelt. Bis zum Ende der Achtzigerjahre hatte Valdez vermutlich Berge von Papieren über Novus Ordo zusammengetragen. Als er die DVD nachdenklich betrachtet, geht Giovanni auf, warum in jede der Trennwände des Tresorraums ein Rechner integriert ist. Statt der Tonnen Papier, die sich im Laufe von Jahrhunderten angesammelt hatten, finden sich die einst darauf enthaltenen Angaben in digitalisierter Form auf elektronischen Speichermedien.
    Er legt die Scheibe in das DVD-Laufwerk des Rechners ein. Im nächsten Augenblick sieht er auf dem Bildschirm einen Überblick über deren Inhalt. Archivierte Texte, Abrechnungen, eine unübersehbare Anzahl von Dateien, deren älteste auf Bankeinrichtungen des Mittelalters zurückzugehen scheinen, denn ihre Titel sind auf Latein abgefasst.
    Die ersten Seiten des Inhaltsverzeichnisses zeigen die wichtigsten Organigramme des von Novus Ordo geduldig über Jahrhunderte hinweg gesponnenen Netzes, das längst die ganze Welt umspannt: Banken, mächtige multinationale Konzerne, ob Rüstungsbetriebe, Pharmalabors oder Großunternehmen der Informatik-Industrie, außerdem Aktien-und Warenbörsen, Investmentfonds, Fluggesellschaften und Großreedereien … Er sieht zahllose Verzweigungen im Finanzwesen, der Schwer-und Ölindustrie, Adressen von Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen und einer Unzahl von Offshore-Banken. All das dient seit Jahrhunderten dazu, den Schatz der Tempelritter gewinnbringend einzusetzen.
    Doch Novus Ordo war nicht nur ein riesiges Finanzkonglomerat. Nachdem die Organisation die Ketzereien des Mittelalters finanziert hatte, war sie dazu übergegangen, mächtige Sekten zu gründen, die gegen die römische Kirche arbeiteten und deren Banken inzwischen Milliarden umsetzten. Hinter all diesen weitverzweigten Organisationen standen die Kardinäle des Schwarzen Rauchs und der Schatz der Tempelritter.

11
    Der Schläfer fährt hoch. Um ihn herum knarrt und bewegt es sich. Er hört Geräusche und spürt Schwingungen. Irgendetwas rumpelt unter ihm. Räder. Er konzentriert sich. Kreischen und Windgeräusche. Eine Eisenbahn.
    Pater Carzo öffnet die Augen. Seine Finger streichen über die Sitzbank. Es ist dunkel. Gelbe Lichter zucken vor der Scheibe hin und her. Das Abteil ist leer. Er versucht sich auf das wilde Durcheinander von Erinnerungen in seinem Kopf zu konzentrieren. Bruchstücke von Bildern und Fetzen von Klängen.
    Angefangen hatte das Ganze, als er in den Tiefen des einstigen Wehrklosters in den Dolomiten Marias Haar geliebkost hatte. Es war eine Empfindung des Schwebens gewesen, Schwindel hatte ihn erfasst, vor seinen Augen war alles verschwommen, und die Beine hatten unter ihm nachgegeben. Dann hatte sein Herz allmählich langsamer geschlagen. Erst sechzigmal pro Minute, dann zwanzigmal, schließlich nur noch zweimal. Carzo war auf die Knie gefallen, als sein Herz stehen blieb. Obwohl unter seiner Haut nichts mehr pochte, war er nicht tot. Dann war es ihm so vorgekommen, als habe sein Puls neu eingesetzt. Mächtige und aus der Tiefe kommende Herzschläge. Er hatte am Handgelenk nach seinem Puls getastet. Nichts. Dann am Hals, dort hatte er aber lediglich seine eiskalte Haut gespürt. Die Haut eines Toten. Nicht sein Herz hatte erneut angefangen zu schlagen. Das kalte Blut, das jetzt durch seine Adern kreiste, gehörte dem Wesen, das seine Seele an sich gerissen hatte, als es in den Tiefen des

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