Das Evangelium nach Satan
Aufspüren und die Verfolgung von Serienmördern eingesetzt.
Diese Aufgabe war alles andere als langweilig, denn immerhin kommen in den Vereinigten Staaten auf zweihundertsiebzig Millionen Einwohner vierhundert Millionen Feuerwaffen, und so muss die Polizei in Vorstadtgettos, Elendsquartieren, Fast-Food-Lokalen, Bankpalästen, Millionärsvillen oder Golfklubs eine Million potenzielle Mörder aufspüren. Nach einer Weile dann begann sich Maria auf die Jagd nach kaltblütig vorgehenden Crosskillern zu spezialisieren.
Bannerman war in Hattiesburg geblieben und hatte von Anfang an kleinere Brötchen als sie gebacken. Er hatte sich weiterhin mit Chili con carne vollgestopft und versucht, auf dem Rücksitz seines alten Buick junge Frauen zu verführen. Zumindest einmal musste ihm das gelungen sein, denn er hatte eine gewisse Abigail Webster geheiratet, ein reizloses Mädchen vom Lande, in das er sich verschossen hatte. Sie waren ein trübseliges Paar, das sich unübersehbar langweilte. Maria fand, es sei fast rührend anzusehen. Auf jeden Fall aber stand, wenn sie ihren Urlaub in der alten Heimat verbrachte, auf dem Esstisch der Bannermans jederzeit ein Gedeck für sie bereit.
Während sie sich im Ausbildungszentrum des FBI auf ihre neue Aufgabe vorbereitet hatte, war Bannerman Sheriff geworden. Als andere berufliche Möglichkeit hätte ihm eine Laufbahn im mittleren Dienst der Post oder bei der Eisenbahn offengestanden, auch Fernfahrer hätte er werden können. Sein Amt als Sheriff erlaubte es ihm, eine ruhige Kugel zu schieben: Gelegentlich musste er bei einem Diebstahl von Saatgut aus einer Scheune in Aktion treten, Jugendliche festnehmen, die über die Stränge geschlagen hatten oder bei Schlägereien von Betrunkenen in den Spelunken von Hattiesburg einschreiten.
Seine vier Hilfssheriffs, einer wie der andere Mitglied bei den Anonymen Alkoholikern, waren ihm wie treue Jagdhunde ergeben. Außerdem konnte er noch auf Rachel zurückgreifen, eine ungewöhnlich hübsche junge Frau aus der Gegend, die unbedingt zum FBI wollte. Als sie auf die Akte mit den Fällen der vier aus Hattiesburg verschwundenen Frauen gestoßen war, hatte es sie nicht mehr auf ihrem Bürostuhl gehalten. Nachdem man im nassen Unterholz des Waldes von Oxborne die Kleidungsstücke des ersten Opfers gefunden hatte, stand fest, dass es keinen Grund mehr gab, von »verschwunden« zu sprechen – man musste »ermordet« sagen.
16
Mit aller Kraft hatte sich Rachel gewehrt, als ihr Bannerman die Sache aus der Hand nehmen und einem seiner erprobten Hilfssheriffs übergeben wollte. Vielleicht hatte er eine Schwäche für sie, jedenfalls war es ihr gelungen, ihm achtundvierzig Stunden Aufschub abzuschwatzen, bis sie den Fall abgeben musste. Dann war ihr offenbar der hirnverbrannte Einfall gekommen, gleichsam das Rotkäppchen zu spielen und sich dem großen bösen Wolf als Köder anzubieten.
Eigentlich war man in Hattiesburg ebenso wenig auf wirkliche Verbrechen eingestellt wie auf die Landung einer fliegenden Untertasse. Während Bannerman diesen Fall, über den er sich in den Zeitungen ausbreiten konnte, förmlich als Geschenk des Himmels betrachtete – noch dazu, wo es sich um einen Serienmörder handelte –, sah ihn Rachel als Gelegenheit, sich damit sozusagen die Eintrittskarte für den Dienst beim FBI zu verdienen. Allerdings war Eile geboten, denn ein Hühnerhof wie Hattiesburg hat einem hungrigen Fuchs, wie es ein Serienmörder ist, nicht viel zu bieten. Da der Mann offenkundig nicht aus der Gegend war, würde er bestimmt bald wieder von dort verschwinden. Also hieß es, ihn zu fassen, bevor er auf das Gebiet eines anderen Sheriffs wechselte, der dann die Lorbeeren einheimsen würde.
Daher hatte sich Rachel in den Fall gestürzt wie ein Taucher, der mitten in der Nacht in ein Haifischbecken springt.
All das hatte Maria am Vorabend bei der Lektüre des Hattiesburger Gemeindeboten begriffen. In vier dürren Zeilen zwischen einer Reklame für ein Eiershampoo und einem Stellenangebot der Texaco-Tankstelle am Ortsausgang hieß es, man habe in einem Müllbehälter im Wald von Oxborne weitere Kleidungsstücke gefunden. Diesmal seien es die von Patricia Gray, die als Zweite verschwunden war: blutbefleckte Unterwäsche und Fetzen eines Kleides, außerdem in Felsspalten abgebrochene Reste von Fingernägeln, so als habe die Frau an einer Felswand hinaufklettern wollen. Es sah ganz so aus, als sei sie einem kaltblütigen Mörder in die Hände gefallen.
Weitere Kostenlose Bücher