Das Evangelium nach Satan
schließt sich. Das Geräusch, mit dem die Regentropfen auf ihre Öljacke prallen. Jetzt hört Maria das Herz der jungen Frau schlagen. Der Puls beschleunigt sich. Das Blubbern eines schlecht eingestellten V8 wird lauter. Der Wagen fährt vorüber und bleibt ein Stück weiter stehen.
Maria richtet ihre Taschenlampe auf die Spuren, die der Wagen des Unbekannten auf dem Bankett hinterlassen hat. Ein großer Geländewagen. Es könnte ein Chevrolet oder ein Cadillac sein. Im selben Augenblick sagt Rachel, es sei ein Dodge, ein altes Baujahr, blau. Das Nummernschild sei so stark verschmutzt, dass sie nur einige Buchstaben entziffern könne.
Eine Wagentür fällt ins Schloss. Rachels Puls beschleunigt sich. Der Unbekannte kommt näher. Sie sagt, dass er einen langen schwarzen Ledermantel trägt und eine Art Kapuze sein Gesicht verhüllt. Etwa so wie bei Mönchen.
Rachel hat Angst. Sie weiß nicht, warum, aber sie hat mit einem Mal Angst. Dann begreift sie mit einem Schlag: Während der Mann über den Kies am Rand der Straße geht, hört man nicht das geringste Geräusch von seinen Stiefeln. Es ist, als schwebe er über dem Boden. Jetzt sagt Rachel, man könne die Stiefel des Manns auf dem Kies nicht hören. Dann flüstert sie, dass sie nicht weitersprechen könne, er sei zu nahe. Genau wie Rachel es getan haben dürfte, richtet Maria den Lichtkegel vor sich. Rauschen. Mit gesenktem Kopf, um den Mund möglichst nahe an die Tasche mit dem Telefon zu bringen, flüstert Rachel entsetzt: »Großer Gott, ich leuchte ihn an, sehe aber sein Gesicht nicht. Seine Augen ja. Aber er hat kein Gesicht.«
Mit einer rauen Stimme, die wie ein Husten klingt, sagt der Unbekannte etwas, das Maria nicht hört. Dann stößt Rachel einen durchdringenden Schrei aus und beginnt davonzulaufen. Man hört Zweige brechen. Die junge Frau dringt in den Wald ein, läuft einfach geradeaus. Ihr pfeifender Atem überlagert fast das Geräusch ihrer Schritte im welken Laub, das den Boden bedeckt. Von Panik erfasst schreit sie, der Mann habe ein Messer und verfolge sie. Ohne daran zu denken, dass sie nur mit der Mailbox verbunden ist, fordert sie Bannerman auf, unbedingt sofort Verstärkung zu schicken.
Maria richtet ihre Lampe auf den Waldrand. Eine Öffnung im Dickicht, abgebrochene Zweige. Dort muss sich Rachel ins Dunkel geflüchtet haben. Jetzt zwängt sich Maria unter Ästen hindurch, von denen das Wasser tropft. Ihre Taschenlampe zeigt das von der Fliehenden heruntergetretene Farnkraut. Jetzt schreit Rachel laut auf. Sie fällt zu Boden, steht auf und rennt schreiend weiter. Sie dreht sich um und ruft, der Mann sei unmittelbar hinter ihr. Voll Entsetzen fügt sie hinzu, er renne nicht einmal, sondern gehe ganz ruhig und sei ihr trotzdem dicht auf den Fersen.
»Großer Gott, Bannerman. Er bringt mich um! Hörst du mich, Bannerman? Verdammte Scheiße, ich weiß, dass er mich umbringt!«
Maria hört das Herz der jungen Beamtin schlagen, hört ihr Schluchzen und ihren pfeifenden Atem. Rachel versucht, zur Ruhe zu kommen: Sie weiß, dass sie verloren ist, wenn sie in Panik gerät. Ihre Schritte werden länger. Sie stößt die Luft durch den Mund aus wie eine Sprinterin. Maria schließt die Augen. Das ist aber kein Sprint, mein Mädchen, sondern ein Langstreckenlauf, bei dem es auf Ausdauer ankommt. Wer gewinnt, darf auf Hawaii surfen und sich an einem weißen Sandstrand bei Ananassaft und Cocktails entspannen. Für den Verlierer gibt es statt einem Platz auf dem Siegerpodest einen Dolchstoß in den Unterleib und eine Schaufel Kies auf den Sargdeckel.
Die Kräfte beginnen Rachel zu verlassen. Sie stürzt erneut. Sie kann nicht mehr. Ihre Haare sind völlig durchnässt. Strähnen voll Schlamm tanzen ihr vor den Augen. Sie dreht sich um und stößt einen langgezogenen Entsetzensschrei aus.
»Bannerman! Der Schweinehund geht ganz ruhig, und trotzdem komm ich von ihm nicht los! Großer Gott, wieso schaff ich das nicht?«
Rachel zieht ihre Dienstpistole und gibt aufs Geratewohl vier Schüsse ab. Dann flucht sie und tastet im Schlamm nach ihrer Waffe. Sie schreit auf. Der Mann ist über ihr. Er schlägt ihr ins Gesicht und in den Unterleib. Er tritt ihr zwischen die Beine. Noch sticht er nicht zu. Er will spielen.
Rachel versucht sich zu verteidigen, hält schützend Arme und Hände vor das Gesicht. Maria hört, wie die Knochen unter den Tritten des Mörders krachen. Er macht sie zum Krüppel, damit sie ihm auf keinen Fall entkommen kann.
Ein
Weitere Kostenlose Bücher