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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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ab, was sie sagen will, und versucht zu analysieren, was sich in ihrem Kopf drängt. Sie will das Profil dieses Kaleb möglichst genau bestimmen können, muss unbedingt verstehen, wie er tickt, um eine schwache Stelle zu entdecken. Aber das fällt ihr schwer. Immer wieder überrollen sie Wellen von Schmerz. Bei jedem Zusammenfahren drohen ihre Gelenke zu versagen. Sie muss sich beeilen, bevor sie das Bewusstsein verliert. Also sagt sie aufs Geratewohl mit von Tränen undeutlicher Stimme, wer sie ist, in der Hoffnung, dass der Mörder dann aufhört, in ihr nichts als ein seelenloses Fleischpaket zu sehen.
    »Ich heiße Maria Megan Parks. Ich bin am 12. September 1975 in Hattiesburg im Staat Maine zur Welt gekommen. Meine Eltern waren Janet Cowl und Paul Parks. Sie haben am Milwaukee Drive 12 ein Fachwerkhaus bewohnt. Ich bin in die Gemeindeschule gegangen, in die Klasse von Miss Fredericks. Ich hatte immer gute Zensuren. Außer in Mathematik, denn ich konnte die Zahlen nicht unterscheiden. Sie wissen schon, wie einem die Zahlen vor den Augen tanzen, wenn man eine Addition fertig hat.«
    Der Hinweis auf ihre Eltern und ihre Wurzeln in Maine scheint ihr ein guter Einfall zu sein. Auch die Sache mit den Zahlen. Da der Mörder selbst einmal ein Kind gewesen sein muss, könnte ihn das unter Umständen ansprechen. Stechender Schmerz verzerrt ihre Lippen. Keine zu langen Pausen machen. Sie fährt fort. »Mein Bruder Allan ist mit zwölf Jahren an Leukämie gestorben. Dass er krank war, hat der Arzt gemerkt, als er ihm mit dem Rücken einer Gabel über die Haut an der Wade gefahren ist, und die Stelle am nächsten Morgen ganz blau war. Können Sie sich das vorstellen? Ganz und gar blau!«
    Schweigen. Sie beißt sich auf die Unterlippe, um nicht laut zu schluchzen. Auf keinen Fall darf er glauben, sie sei ein Opfertyp – die sind Mördern am liebsten.
    »Wir haben Allan auf dem Friedhof von Grand Rapids in Ohio begraben. Da wohnt meine Großmutter Alberta Cowl. Sie hatte ihn bei sich aufgenommen, als es zu Ende ging. Bevor er weggebracht wurde, bin ich zu ihm ins Zimmer gegangen. Er saß auf seinem Bett, ganz abgemagert und völlig kahl. Ich weiß noch, dass er sich einen Katalog mit Weihnachtsgeschenken angesehen hat, in dem er mit rotem Filzstift Kreise um Spielzeug gezogen hatte, das er sich wünschen wollte. Ich war ganz sicher, dass ich sein Blut vergiftet habe, weil ich ihm die Späne vom Bleistiftanspitzen in den Orangensaft gemischt hatte. Ich habe Mama nie etwas davon gesagt, aber ich bin sicher, dass ich Allan getötet habe.«
    Großer Gott, ich hab so unendliche Schmerzen …
    Schweigen. Mit gebrochener Stimme fährt Maria fort: »Ich habe auch einen Hund. Er heißt Barnes. Genauer gesagt, ich hatte einen Hund, einen blinden alten Labrador. Er ist im vorigen Sommer überfahren worden. Ich habe ihn in meinem Garten begraben. Er fehlt mir schrecklich.«
    Mit einem Mal spürt sie, wie eine entsetzliche Wut ihre Brust verbrennt. Sie versucht, sie zu beherrschen, was ihr aber nicht gelingt.
    »Ich bin Protestantin und unterstütze die demokratische Partei. Ich habe ein Konto bei der Bank von Bangor und kaufe bei den Schweinekerlen von Wal-Mart ein. Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Ich rauche auch Old Brown, setze mich für das Recht der Frauen auf Abtreibung ein, hab mich mit sechzehn entjungfern lassen und steige seitdem mit jedem Kerl ins Bett, der mir über den Weg läuft. Auch mit Frauen! Am hinreißendsten finde ich junge Mädchen. Es schmeckt einfach köstlich, wenn ich sie lecke. Auch ihre Haut fühlt sich großartig an. Vor allem heiße ich Maria. Maria Megan Parks. Hörst du mir überhaupt zu, du gottverdammter Leichenfresser? Ich heiße Maria Megan Parks. Gib zu, dass ich dir gewaltig auf den Sack gehe!«
    »Gegrüßet seist du, Maria.«

33
    Bei diesen Worten fährt sie so sehr zusammen, dass ihre Gelenke auf dem Querholz knirschen. Der Schmerz pflanzt sich bis in ihr Knochengerüst fort. Der Kontakt ist hergestellt. Sie muss ihn jetzt um jeden Preis aufrechterhalten. »Bitte sprechen Sie weiter.«
    Kaleb sieht sie an. Seine Arme sind wie in Anbetung erhoben. Seine Haut leuchtet in der Dunkelheit. Maria spürt, wie sich Gefühllosigkeit in ihren Gliedern ausbreitet. Übelkeit würgt sie. Jeden Augenblick kann sie sich übergeben. Erneut rauscht und knistert es in ihrem Ohrhörer. Bannermans Stimme: »Maria, die … sind da … st du mich hö…?«
    Der Riesendummkopf von Bannerman. Das FBI ist gekommen.

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