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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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seinen Leichnam den Jüngern übergeben haben, damit ihn diese entsprechend der jüdischen Sitte in einem durch einen schweren Stein verschlossenen Grab beisetzen konnten. Ich folge weiterhin der offiziellen Lesart, wenn ich sage, dass der Leichnam drei Tage nach dem Tod am Kreuz aus diesem Grab verschwunden ist, ohne dass jemand den Stein beiseitegewälzt hätte, der den Zutritt zum Grab versperrte. Anschließend ist Christus wieder auferstanden, den Jüngern erschienen und hat sie in die Welt ausgesandt, damit sie die Völker lehrten.«
    »Und weiter?«
    »Nun, in den Schriften klafft eine beträchtliche Lücke zwischen dem Augenblick des Todes am Kreuz und dem, da seine Jünger das Grab offen vorfanden. Drei volle Tage, über die niemand etwas zu sagen vermag. Alles andere ist in den Berichten vermerkt: Christi öffentliches Wirken, seine Gefangennahme, der Prozess, die Passion und der Kreuzestod. Dafür gibt es Tausende von Zeugen. Alles ist überprüfbar – mit Ausnahme dieser drei Tage. Nun aber beruht unser ganzer Glaube ausgerechnet auf dem, was an diesen drei Tagen geschehen ist: Falls Christus wirklich auferstanden ist, bedeutet das, dass auch wir auferstehen werden. Nehmen wir aber einmal an, er wäre nie von den Toten zurückgekehrt …«
    »Was sagt Ihr da?«
    »Nehmen wir an, dass er am Kreuz ein für alle Mal gestorben ist und die Jünger das Ostergeschehen erfunden haben, damit sein Wirken nicht einfach aufhörte und seine Botschaft über die ganze Welt verbreitet werden konnte.«
    »Und das steht in dem Satansevangelium?«
    »Das, und noch anderes.«
    Schweigen.
    »Und was wäre das?«
    »Es heißt darin nicht nur, Christus sei nicht auferstanden, sondern auch, er habe, nachdem er seinen Glauben an die ewige Seligkeit verloren habe, sich von Gott losgesagt und dabei in Janus verwandelt, ein tobendes Untier, dem die Römer dadurch ein Ende bereiteten, dass sie ihm die Glieder brachen. Jesus, der Sohn Gottes, und Janus, der Sohn des Teufels.«
    »Wollt Ihr damit sagen, dass an jenem Tag der Höllenfürst die Oberhand behalten hat?«
    Die Augen des Papstes umdüstern sich.
    »Nun, Eure Heiligkeit, mit dieser Art von Ketzerei haben wir nicht das erste Mal zu tun. Solche Evangelien hat es zu Hunderten gegeben, und ähnliche werden immer wieder auftauchen. Wir brauchen das lediglich zu bestreiten und eine hinreichend große Anzahl von Wissenschaftlern aufzubieten, die unsere Sache vertreten. Die Menschen glauben in erster Linie an Euch, und dann an Gott. Wenn der Papst etwas als wahr bezeichnet, ist es das auch. So war es immer, und es gibt keinen Grund, warum sich das ändern sollte.«
    »Nein, Oscar, diesmal liegt der Fall nicht so einfach.«

7
    Anhand der Röntgenbilder machen sich die beiden Gerichtsmediziner an die genauere Untersuchung von Kalebs Skelett. Mit leiser und bedächtiger Stimme fasst Mancuzo zusammen: »Unregelmäßige Schwielen, die sich an den Stellen früherer Knochenbrüche gebildet haben, zeigen, dass keine dieser zahlreichen Verletzungen fachkundig behandelt wurde. Es scheint außer Zweifel zu stehen, dass wir es mit einem etwa vierzigjährigen Mann zu tun haben, der durch fehlende ärztliche Behandlung äußerlich vorzeitig gealtert erscheint. Möglicherweise ein Landstreicher, der schon vor vielen Jahren die Brücken zur modernen Gesellschaft hinter sich abgebrochen hat. Daher empfiehlt es sich, auf dem Gebiet der Bundesstaaten Maine und Massachusetts weitere Nachforschungen in den entsprechenden Gesellschaftsgruppen der Großstädte anzustellen, aber auch in den ländlichen Gebieten unter den dort bekannten Landstreichern. Gibt es noch etwas hinzuzufügen?«
    »Ja. Kaleb ist gealtert.«
    Beim Klang von Marias Stimme fahren die beiden leicht zusammen. Mancuzo unterbricht die Aufnahme.
    »Was sagst du da?«
    »In der Krypta hat er wie ein Mann in der Blüte seiner Jahre ausgesehen, vielleicht um die dreißig.«
    »Ich dachte, du hast sein Gesicht nicht sehen können?«
    »Aber seine Hände.«
    »Was willst du damit sagen? Etwa, dass er hier im Kühlraum zehn Jahre älter geworden ist?«
    »Ja, genau das.«
    Mancuzo legt ihr einen Arm um die Schultern.
    »Hör mal zu, man hat dich an ein Kreuz genagelt, dann warst du acht Tage auf der Intensivstation. Da hast du allen Grund, davon überzeugt zu sein, dass die Welt schlecht ist, die Atomkraft uns umbringt und die Giants es nicht in die nächste Superbowl schaffen. Ich mach dir einen Vorschlag: Ich zieh das hier so durch, wie wir

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