Das ewige Lied - Fantasy-Roman
fraßen ein totes Tier.
Da geschah es: eine der Gestalten – aufgrund von Größe und Proportionen vermutete Jayel, dass es sich um Tiark handelte – begann auf dem immer schlammiger werdenden Untergrund zu rutschen. Jayel konnte auch aus dieser Entfernung ein leises „Ooooooh...“ hören, als die Gestalt zunächst langsam, dann mit zunehmender Geschwindigkeit den Abhang hinunter schlidderte und schließlich laut in eine der brackigen Wasserstellen klatschte.
Die Zeit schien stillzustehen. Zuerst hoffte Jayel, dass die Moorkrätschen die Bewegung nicht gesehen, das Geräusch nicht gehört hatten und vielleicht doch nicht ganz so intelligent waren, wie Daphnus vermutete. Doch dann wandten die Tiere langsam ihre Köpfe und blickten auf die kleine Gruppe herab. Im nächsten Moment erhoben sie sich mit lautem Geschrei in die Lüfte, bereit, sich auf Jayels Gefährten zu stürzen. Erschrocken kletterte Jayel endgültig aus dem Loch heraus. Derweil rappelten sich ihre Freunde aus dem Matsch hoch. Eine der Krätschen stürzte sich laut kreischend auf Tiark.
„Nein!“, schrie Jayel laut. Im selben Moment bemerkte sie, wie Gemma die Arme hob und irgend etwas zu rufen schien. Da wurde die auf Tiark zurasende Moorkrätsche durch die Luft geschleudert, gegen die anderen drei Krätschen gedrückt und über den nächsten Hügel geweht. Doch die nächsten Moorkrätschen hatten sich bereits auf den Weg gemacht. Tiark, Daphnus, Gemma und Kallabul begannen, auf das Nest zuzurennen. Im selben Moment, als Jayel die Pferde sah, wusste sie, dass nun auch sie gut sichtbar vor dem Nest stand.
„Soviel zu Theorie und Praxis!“, fluchte sie und begann, wieder in das Nest hineinzuklettern. Im Inneren begann sie, hektisch den Kristall zu suchen. Doch ihre Suche blieb erfolglos. Als wenig später Kallabul durch die Öffnung ins Innere kletterte, hatte sie noch immer nichts gefunden.
„Beeil dich!“, rief der Aquant, „die anderen versuchen draußen, die Krätschen aufzuhalten.“
„Was denkst du, was ich hier schon die ganze Zeit tue? Natürlich beeile ich mich!“, fauchte Jayel und durchwühlte weiter Dreck und Unrat. Plötzlich sah sie auf und starrte ins Dunkel. Im hinteren Teil der Höhle, wo es am dunkelsten war und am übelsten roch, glaubte sie ein mattes Leuchten zu sehen. Eilig rannte sie in die Richtung und begann, dort zu suchen. Schließlich kam sie zurück zu Kallabul, blass und mit Tränen in den Augen.
„Was ist, hast du den Kristall nicht gefunden?“, wollte Kallabul wissen.
Jayel schüttelte den Kopf, nickte dann aber: „Doch, ich habe ihn.“ Müde streckte sie den Arm aus und zeigte Kallabul einen geschliffenen, weißen Kristall in ihrer Hand. Er war dreckverkrustet, strahlte jedoch trotzdem einen gewissen Glanz aus. „Er lag bei Murja – oder bei dem, was von ihr übrig war...“
Eilig kletterten die beiden aus dem Nest heraus. Hastig wollte Jayel die frische Luft einsaugen, doch stattdessen stockte ihr der Atem. Tiark, Daphnus und Gemma hatten es inmitten des Gewitters geschafft, ein paar Krätschen abzuwehren, einige Tiere lagen tot oder verwundet um sie herum, andere hielten sich kreischend in einiger Entfernung in der Luft. Doch nun kam der Schwarm zurück zum Nest! Von überall her tauchten neue Krätschen auf und strebten auf ihren Bau zu. „Wir sitzen in der Falle!“, schrie Daphnus.
Es war mittlerweile fast völlig dunkel geworden, und der strömende Regen verbesserte die Sicht nicht sonderlich. Die Pferde wieherten ängstlich, doch bisher hatten sie keines der Tiere durch die Krätschen verloren.
Jayel sah Kallabul an, dann den Kristall in ihrer Hand. „Vielleicht wohnt auch in ihm ein Zauber“, überlegte sie laut.
Kallabul schüttelte den Kopf: „Das ist viel zu riskant. Vielleicht hat er dann nicht mehr genug Magie, um das Ritual durchzuführen...“
Jayel sah ihn entschlossen an: „Entweder wir riskieren es, oder wir sterben hier!“ Sie kletterte vollständig aus der Öffnung heraus und stellte sich in die gleiche Position wie am Morgen, als sie die Magie des Wasserkristalls genutzt hatte. Sie schloss die Augen und hob den Kristall hoch über ihren Kopf. Durch das Tosen des Gewittersturmes um sie herum hörte sie plötzlich wieder die Melodie des Ewigen Liedes in ihrem Kopf, und sie begann zu singen.
Diesmal erzählte die Melodie vom Wind, vom Sturm und von dem Föhn, der durch das Gebirge fegte. So war diesmal auch die Energie, die in Jayel entstand, stürmisch wie der
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