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Das Exil Der Königin: Roman

Das Exil Der Königin: Roman

Titel: Das Exil Der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cinda Williams Chima
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ist sie doch wenigstens ein Anfang.
    Hallie und Talia kamen die Treppe heruntergestapft, und Raisa schob den Brief in ihre Tasche.
    »Kommst du mit zum Essen?«, fragte Hallie. »Ich hab gehört, dass es Schinken und Kohl geben soll.«
    »Ich warte noch auf Korporal Byrne«, sagte Raisa. »Ich gehe dann mit ihm zusammen rüber.«
    Hallie und Talia sahen sich an. »Ich bin nicht sicher, ob er zum Essen kommt«, antwortete Hallie und rieb sich mit dem Zeigefinger die Nase. »Ich glaube, er hat andere Pläne.«
    Andere Pläne?
    »Komm mit uns mit«, drängte Talia. »Wir gehen hinterher noch aus. Zieh dich nicht so zurück.«
    Irgendein Unterton in ihren Worten ging Raisa durch Mark und Bein.
    »Ich bin in ein paar Minuten bei euch«, sagte sie leichthin. »Organisiert schon mal etwas Schinken für mich.«
    Die beiden verließen das Haus, sahen sich aber noch mehrmals um. Ihre Mienen wirkten besorgt.
    Ein paar Minuten später kam Amon die Treppe herunter. Er trug seine Leibgardenuniform, mit Falten an der Hose, und seine Haare waren sauber aus der Stirn gekämmt. Er stolperte beinahe, als er Raisa sah, fing sich aber wieder und ging ruhig bis zum Fuß der Treppe weiter.
    »Hallo, Amon«, begrüßte Raisa ihn. »Du siehst gut aus.«
    Er sah an sich hinunter, dann zupfte er am Saum seiner Uniformjacke, um sie zu glätten. »Ja. Nun. Danke.«
    Raisa trat zu ihm. »Ich hatte gehofft, wir könnten heute Abend zusammen zum Essen gehen und uns vielleicht unterhalten. Ich sehe dich kaum noch.«
    Er stand erstarrt da, wie ein Schuljunge, der bei einem Streich erwischt worden war. Seine grauen Augen richteten sich auf sie. »Wir sind beide beschäftigt, Rai. Es ist nur natürlich, dass wir da nicht …«
    »Dann gehen wir jetzt zusammen zum Essen«, unterbrach Raisa ihn und nahm seine Hand.
    Er schluckte schwer. Sein Adamsapfel zuckte. »Ich kann nicht. Ich … habe etwas zu erledigen.«
    Alles in Raisa schrie geradezu, dass ihre Beharrlichkeit nur zu Schmerzen führen würde. Aber sie konnte nicht anders. »Dann begleite ich dich. Und danach können wir vielleicht …«
    »Nein«, sagte er. »Nicht heute. Ich – es geht nicht.« Er wirkte so kläglich, wie sie ihn bisher noch nie gesehen hatte.
    »Aber es ist dein einziger freier Abend.« Raisa wusste, dass sie verzweifelt klang, aber es kümmerte sie nicht.
    Er nickte. »Ich weiß. Es … tut mir leid«, flüsterte er. Sein Gesicht war blass und angespannt.
    Raisa suchte nach etwas – nach irgendetwas –, das seine Meinung ändern würde. Das ihn dazu bringen würde, zu bleiben. »Nun«, sagte sie geschlagen und schluckte den dumpfen Schmerz der Sehnsucht mühsam herunter. »Dann nimm wenigstens das hier mit und denk an mich.« Sie drückte einen Kuss auf Zeige- und Mittelfinger und stellte sich auf die Zehenspitzen, um sie ihm auf die Lippen legen zu können.
    Er packte ihr Handgelenk und führte ihre Hand an seine Wange, die frisch rasiert und daher ganz glatt war. Er schloss die Augen, nahm zwei tiefe Atemzüge und ließ sie los.
    »Auf Wiedersehen, Raisa«, sagte er, und seine Stimme klang belegt und fremd. »Geh zum Essen. Ich werde erst spät zurückkommen.« Und dann war er weg.
    Raisa stand einen Herzschlag lang wie erstarrt da, dann packte sie ihren Umhang, schlüpfte aus der Tür und folgte ihm.
    Glücklicherweise waren die Straßen belebt; Kadetten waren unterwegs zu den Speisesälen oder zur Brückenstraße und den Wirtshäusern dort. Amon ging schnell, und Raisa musste laufen, um mit ihm Schritt halten zu können. Einmal drehte er sich plötzlich um und warf einen Blick zurück, aber es war ihr gerade noch rechtzeitig gelungen, sich in einen Hauseingang zu drücken.
    Sie bemerkte schon bald, dass er auf die Brückenstraße zuging. Als er im Begriff war hinüberzugehen, zögerte sie kurz, um die Kapuze über ihren Kopf zu ziehen, bevor sie ihm folgte. Es war das erste Mal, seit sie hier angekommen war, dass sie die Brücke überquerte.
    Amon machte einmal Halt, und zwar beim Blumenladen, wo er einen kleinen bunten Strauß kaufte.
    Raisa bezwang einen Anflug von Verzweiflung. Eine Stimme in ihrem Kopf flüsterte: Kehr um!
    Aber das konnte sie nicht.
    Amon eilte weiter, als würde er den Weg kennen, und ging jetzt über den Kolleghof, der Mystwerk House von der Tempelschule trennte. Der im Winter verdorrte Rasen erblühte in einer Mischung aus roten Mystwerk-Gewändern und der weißen Tempelkleidung. Raisa zog den Kopf noch tiefer in den Schutz ihrer Kapuze

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