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Das Exil Der Königin: Roman

Das Exil Der Königin: Roman

Titel: Das Exil Der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cinda Williams Chima
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zurück, wie eine Schildkröte in ihren Panzer.
    Was ist, wenn er nach Mystwerk geht?, dachte Raisa. Die Brücke zu überqueren ist schon riskant genug. Aber nach Mystwerk kann ich auf gar keinen Fall.
    Amon schlug jedoch den gepflasterten Weg ein, der zur Tempelschule führte, und wandte sich dann dem Eingang ganz rechts zu. Vor der schweren Holztür blieb er gerade lange genug stehen, um sich noch einmal durch die Haare zu streichen. Dann hob er den Türklopfer und ließ ihn mit einem klappernden Geräusch fallen.
    Raisa war auf dem Hauptweg geblieben und stand nun in einem solchen Winkel zum Geschehen, dass sie nicht sehen konnte, wer zur Tür kam. Aber Amon verbeugte sich tief und reichte jemandem die Blumen. Und dann betrat er das Gebäude und schloss die Tür hinter sich.
    Für einen langen Moment stand Raisa erstarrt da, unsicher, was sie tun sollte. Auf der breiten Veranda waren lauter Geweihte und Studenten, also konnte sie sich schlecht dorthin stellen und an der Tür lauschen. Allerdings, wenn sie um das Gebäude herumging …
    Glücklicherweise war das Erdgeschoss von hohen Fenstern gesäumt, durch die tagsüber Licht in die Räume fiel. Raisa schlich neben dem Gebüsch unter den Fenstern am Gebäude entlang und blinzelte durch jedes Fenster hinein. Obwohl einige wahrscheinlich beim Essen waren, sah sie Geweihte und Studenten beim Lesen, Entspannen, Sticken, Malen, Musizieren und anderen Beschäftigungen.
    Das ist es also, was alle für mich vorgesehen hatten, dachte Raisa und fingerte an ihrer graubraun gefärbten Uniform herum.
    Im hinteren Teil befand sich eine Art Salon, und ein Feuer prasselte fröhlich im Kamin. Tabletts mit kleinen Häppchen und Plätzchen standen auf Tischen herum. Und hier war Amon; er saß in einem Sessel beim Feuer. Sein Rücken war aufrecht, die Hände lagen auf seinen Knien. Und gegenüber von ihm saß ein Mädchen in der Kleidung der Tempelschüler, dunkelhäutig und hübsch und mit langen, wallenden Locken – offensichtlich von den Südlichen Inseln.
    Sie hielt das Blumensträußchen, das er vorhin gekauft hatte, in der einen Hand, und immer wieder hob sie es an ihre Nase und roch daran.
    Zwei andere Pärchen befanden sich ebenfalls in dem Raum, und in einer Ecke saß eine Geweihte mit rosigem Gesicht, die die jungen Verliebten im Auge behielt.
    Raisa sah Amons Profil. Und sie sah das schüchterne Lächeln des Mädchens, ihre großen, dunklen Augen, und sie hörte ihr Gespräch als leises Gemurmel.
    Jeder Narr konnte sehen, dass das Mädchen in Amon Byrne verliebt war.
    In Raisas Augen brannten heiße Tränen. War das möglich? Der ehrliche Amon Byrne, der immer so geradeheraus war … betrog sie? Sie versuchte, die Stimme in ihrem Kopf zu ignorieren, die ihr sagte, dass es kein Betrug war – denn es hatte ja gar keine Beziehung zwischen ihnen gegeben.
    Man lügt seine Freunde nicht an , sagte Raisa zu sich selbst in dem Versuch, sich zu verteidigen. Er war ihr aus dem Weg gegangen, um das hier vor ihr zu verbergen.
    Und dann, wie in einem schlechten Traum, der sich in einen richtigen Albtraum verwandelte, sah sie, wie Amon sich versteifte und die Schultern unter seiner Uniform sich anspannten. Er drehte langsam den Kopf, sodass er Raisa direkt ansah. Für einen Augenblick war sie wie versteinert und unfähig, sich irgendwie zu rühren. Sie starrten einander an. Dann ließ sie sich mit flammenden Wangen unter das Fensterbrett sinken und kroch wie eine Krabbe durch das Gebüsch zurück.
    Sie richtete sich wieder auf und floh zur Vorderseite des Gebäudes. Sie war jedoch erst ein paar Schritte weit gekommen, als eine Hand sich fest um ihren Oberarm schloss und sie zur Seite riss.
    Raisa wirbelte herum und sah sich einer weiteren Studentin in Tempelkleidung gegenüber, die ebenfalls von den Südlichen Inseln kommen musste. Allerdings war sie die ungewöhnlichste Studentin, die Raisa je gesehen hatte. Da waren etliche silberne Piercings in ihrer Nase und in ihren Ohren, und in ihrer freien Hand hielt sie ein gefährlich aussehendes Messer.
    Aber noch viel schlimmer war, dass sie ihr vertraut vorkam.
    »Wen hast du da ausspioniert, du Schmutzfink?« Das Mädchen stieß sie an, und Raisa zitterte.
    »N-niemanden«, stammelte Raisa und versuchte, sich loszureißen. »Lass los, das tut weh!«
    »Ich will wissen, wer du bist und was du …« Die Augen der klingenschwingenden Geweihten zogen sich zu Schlitzen zusammen. »Ich kenne dich«, sagte sie. »Ich hab dich schon mal

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