Das Exil Der Königin: Roman
es im Süden so häufig gab.
Cuffs wandte sich in eine Seitenstraße und dann in eine schmalere Gasse. In Raisas Kopf drehte sich alles vor Sorge. Wir müssen einander vertrauen, hatte er gesagt. Aber was, wenn sie dem einen Problem nur entkommen war, um in ein anderes zu schlittern?
An einer Seite der Gasse befand sich eine Mauer aus grobem Stein. Cuffs blieb nur so lange stehen, wie er brauchte, um den Saum seines Umhangs um seine Hüfte zu binden, damit er sich nicht zwischen seinen Beinen verfing. Er wies Raisa an, das Gleiche zu tun. Dann sprang er wie eine Katze auf das Gemäuer und verschwand auf dem Dach.
»He!«, flüsterte sie und sah hoch. Sie blinzelte in die Dunkelheit. »Was tust du …?«
Er beugte sich über den Dachrand und streckte seine Hände aus. »Hier. Reich mir deine Hände.«
Sie reckte die Arme und stellte sich auf Zehenspitzen, um sich so groß wie möglich zu machen. Er packte sie an den Handgelenken, riss sie hoch und zog sie auf das Dach. Selbst als sie bereits neben ihm stand, hielt er ihre Handgelenke immer noch fest. Macht wogte wie ein starkes Gebräu in sie hinein.
»Du kannst mich jetzt loslassen«, flüsterte sie und versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien.
»Vorsichtig«, flüsterte er. »Es ist hier vom Regen rutschig.« Er zog sie vom Rand weg und ließ sie dann los. »Versprichst du mir, dass du nicht runterfällst und dir den Hals brichst?«
Sie nickte stumm und rieb sich die Ellenbogen.
Er blickte nach Süden, über ein Meer von miteinander verbundenen Dächern hinweg. »Wir können über die Galerien zur Bibliothek gehen, aber du musst leise sein, ja?«
Sie folgte ihm, als er sicheren Schrittes am Dachrand entlang zum Dach einer Galerie ging, von wo aus sie zum nächsten Gebäude kamen. Er duckte sich, als sie die Galerie entlangschritten, um von unten nicht gesehen zu werden, und sie tat es ihm nach. So überquerten sie auch den Dachrand des nächsten Gebäudes. Dachziegel klapperten unter ihren Füßen, und Raisas Herz machte einen Satz, aber es war noch immer windig, und zweifellos würde sich dieses kleine Geräusch verlieren.
Auf der anderen Seite des Dachs hüpfte Cuffs geschickt und erstaunlich leise auf das darunter liegende Galeriedach. Er drehte sich um und breitete die Arme aus. »Spring.«
Sie sprang, und er fing sie auf. Sie prallte gegen seine Brust und er machte einen Schritt nach hinten; ihr Gesicht landete an seiner nassen Schulter. Wieder spürte sie die Hitze der Magie – sein Umhang dampfte geradezu und roch nach heißer, feuchter Wolle. Er schob seine Hand zwischen sie beide und legte sie an seinen Hals. Die Hitze ließ etwas nach.
»Tut mir leid«, sagte er. »Wenn ich meine Magie nicht sammeln kann, quillt sie manchmal nur so aus mir heraus.«
Auf Händen und Füßen kletterten sie auf der anderen Seite der Galerie einen steilen Giebel hoch. Als sie den höchsten Punkt erreicht hatten, sah Raisa sich um und versuchte, sich zu orientieren. Sie befanden sich oberhalb eines Gebäudeflügels von etwas, das die Bibliothek sein musste.
»Da unten.« Er sprang auf eine Stelle zwischen zwei schrägen Dachkanten, wo sie vor den Blicken von der Straße her geschützt sein würden. Raisa rutschte die Schräge auf ihrem Gesäß hinunter und kam mit einem Platschen unten auf. Inzwischen fühlte sie sich bis auf die Haut durchnässt.
»Beim Blute des Dämons«, murmelte sie und kämpfte sich auf die Beine.
Ein kleines, bleiverglastes Fenster durchbrach das schräge Dach. Cuffs hebelte es auf. »Ich gehe zuerst rein.« Er rutschte mit den Füßen voran durch die Öffnung, und sie hörte das sanfte Geräusch, mit dem er landete. Als sie einen Blick durch das Fenster warf, sah sie ihn direkt darunter stehen; er blickte nach oben, und Licht und Regentropfen fielen auf ihn. »Komm.«
Sie glitt über den Fenstersims, und er packte ihre Arme und stützte sie, als sie auf dem Boden aufkam.
Cuffs kramte in seiner Tasche nach etwas und brachte eine Kerze zum Vorschein, die er mit den Fingern anzündete. Er ließ sie einen Moment brennen und Wachs auf einen Zinnteller tropfen. Danach drückte er die Kerze senkrecht in das flüssige Wachs und stellte den Teller auf den Tisch.
Regale mit staubigen Büchern säumten das Zimmer. Der Tisch allerdings war sauber. Papiere lagen darauf, ein Tintenfässchen und eine Feder und Bücher, in denen mit kleinen Zetteln verschiedene Stellen eingemerkt waren. An der einen Wand befand sich ein kleiner Kamin mit einem
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