Das Exil Der Königin: Roman
sich langsam in den Nacken, um an dem Verschluss herumzutasten.
Er fragte sich, wie viel Macht noch in dem Zauberstück war – ob sie ausreichen würde, seinen Angreifer genügend abzulenken, sodass Han eine Chance hatte, auf ihn loszugehen. Es hatte immerhin auch auf Rebecca reagiert.
»Streif dir die Kette über den Kopf«, befahl der Dieb. »Du musst sie nicht aufmachen.«
Woher weiß er das?, dachte Han. Es sei denn, diese ganze Aktion diente nur dazu, an das Amulett ranzukommen. Angst kroch zwischen seine Schulterblätter.
Han zog sich die Kette über den Kopf. Er hielt das Amulett in der Hand und spürte, wie es unter seiner Berührung schwach vibrierte. Damit würde er nicht mehr großartig arbeiten können. Er fing an, sich umzudrehen.
»Nicht umdrehen«, zischte der Dieb. »Wirf es einfach nur über deine Schulter.« Ja. Da war etwas Vertrautes an der Stimme.
Han warf das Amulett mit der rechten Hand über die linke Schulter. Als es an seinem Ohr vorbeiflog, drehte er sich weiter um und riss das Messer von seiner Taille hoch. Wie erwartet, war der Dieb einen Moment lang abgelenkt, denn sein Blick folgte dem herabfallenden Amulett.
Han warf sich auf den Angreifer und legte sein ganzes Gewicht in den Stoß, als er ihn mit der Schulter rammte. Der Dieb stürzte und schlug dabei mit dem Kopf an die Steinmauer. Dann fiel er mit dem Gesicht voran auf die Pflastersteine, die Arme weit von sich gestreckt und bewusstlos.
Han starrte auf ihn hinunter. Er war ganz in Schwarz gekleidet, trug eine enge schwarze Hose, schwarze Stiefel und eine Kapuzenjacke, die eng an seinem schlanken Körper anlag. Wie ein Attentäter. Aber warum hatte er Han dann nicht einfach die Kehle durchgeschnitten und ihn dann nach Lust und Laune ausgeraubt?
Die ganze Sache war beinahe lautlos vonstatten gegangen. Han packte sein Amulett und ließ die Kette wieder über seinen Kopf gleiten, während er das Zauberstück selbst weiter in der Hand behielt. Er stand halb in der Hocke da, das Messer in der Hand, und rechnete damit, dass irgendwelche Komplizen angerannt kommen würden.
Aber nur eine einzige Gestalt löste sich von den Schatten auf der anderen Seite des Gebäudes und kam auf ihn zu.
»Zurück«, sagte Han und wedelte mit seinem Messer. »Sonst stech ich dich und deinen Freund hier ab.«
»Töte sie nicht«, sagte Dancer und trat in das Licht, das von der Straße her auf den Weg fiel. »Wir müssen herausfinden, warum sie das getan hat und für wen sie arbeitet.«
Sie? Han ließ sich mit dem Rücken gegen die Mauer sacken; das Messer hing locker in seiner Hand, und in seinem Kopf drehte sich alles. Das ist nur ein Traum, dachte er.
Dancer kniete sich neben die ausgestreckte Gestalt und nahm ihr das Messer ab. Dann rollte er den Körper sanft herum.
Es war Cat Tyburn.
KAPITEL DREISSIG
Magische Anziehung
W ährend Han über den Kolleghof und geradewegs in ein neues Drama gehumpelt war, stand Raisa in ihrem Zimmer ein Drama ganz anderer Art aus. Amon hatte sie am Arm gepackt, als hätte er Angst, sie könnte auf die Idee kommen, geradewegs hinter Han aus dem Fenster zu springen.
»In Ordnung«, sagte Amon zu Mick und Garrett, nachdem Han endgültig von der Bildfläche verschwunden war. »Er ist weg. Ihr anderen geht jetzt wieder. Ich will mit Morley allein sprechen. Wenn Abbott und Talbot kommen, sorgt dafür, dass sie unten bleiben.« Er ließ Raisa wieder los.
Mick und Garret warfen ihr mitfühlende Blicke zu, bevor sie aus dem Zimmer gingen. Raisa hörte ihre Schritte auf den Stufen. Dann wurde es still.
Sie lehnte sich an das Fensterbrett, und ihre Blicke waren wie Dolche, die Amon Byrne förmlich durchbohrten. Seine hingegen waren so düster und unheilvoll wie Gewitterwolken. Beide warteten, dass der andere anfing.
Schließlich gab Amon nach. »Hast du Cuffs Alister wirklich gebeten, mit in dein Zimmer zu kommen?«
»Han«, sagte sie.
»Was?«
»Er heißt jetzt Han Alister.«
Amon verdrehte die Augen. »Also schön, dann Han Alister.«
»Na und? Wenn schon?«, fragte Raisa wütend und beschämt und frustriert – alles zugleich.
»Du kennst die Regeln. Dass wir keinen Hauswart haben, bedeutet nicht, dass sie hier nicht gelten würden. Im zweiten und dritten Stock sind keine Gäste erlaubt. Nach der Sperrstunde gibt es überhaupt keine Gäste mehr. Ich habe Taim Askell versprochen, dass …«
»Taim Askell hat mit dem hier nichts zu tun, und das weißt du auch«, fuhr Raisa dazwischen. »Wenn du in Micks
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