Das Exil Der Königin: Roman
kennst sie doch kaum, also verstehe ich nicht, wie du …«
»Du bist doch nie hier«, versetzte Dancer. »Du hast gar keine Ahnung, was mit deinen Freunden los ist.«
Han wedelte mit einer Hand in Cats Richtung. »Ist sie eine Freundin?« Er verdrehte die Augen. »Freunde lauern einander nicht in Hintergassen auf.«
»Cuffs hat recht«, sagte Cat und öffnete die Augen, um Dancer anzusehen. »Du kennst mich echt nicht sehr gut. Ich bin eine Diebin, ich verrate meine Freunde. Ich verdien den Tod.« Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln und liefen ihr in die Haare. »Ich hätte einfach weggehen sollen, aber ich hab Geld gebraucht, um wieder nach Hause zu kommen. Es gibt hier nichts für mich. Ich bin für die Schule nicht gemacht.«
»Was hast du mit dem Amulett gewollt?«, fragte Han. Ein schrecklicher Verdacht stieg in ihm auf. »Wenn du Geld brauchst, hättest du meine Börse nehmen können.«
»Wollt nicht in deiner Hose rumkramen«, antwortete Cat. »Kann mir denken, dass du da ein ganzes Waffenlager drin hast.«
»Du hattest es die ganze Zeit auf das Amulett abgesehen«, sagte Han. »Richtig?«
Nach einer langen Pause nickte sie. »Ich … ich dachte, ich könnte es verkaufen. Du hast immer so getan, als wär es wertvoll. Und du hast es immer um den Hals getragen, also musste ich es dir irgendwie wegnehmen.«
Han blinzelte, als das Puzzle sich mehr und mehr zusammensetzte. »Du warst diejenige, die mein Zimmer durchwühlt hat«, stellte er fest. »Als du danach gesucht hast.«
»Ich hab dein Zimmer nicht durchwühlt«, brauste Cat auf. Als Han eine Braue wölbte, murmelte sie: »Wie hast du das gemerkt? Hab doch alles wieder dahin zurückgelegt, wo es vorher war.«
»Es war an dem Abend, als das Essen bei der Dekanin war, daher wusstest du, dass keiner von uns hier sein würde«, sagte Dancer. Er sah Cat an, und sie sah ihn an, und Han kam sich plötzlich wie ein Außenseiter vor, als wäre er ein Zuschauer, der zufällig im gleichen Zimmer war wie sie.
»Ich … bin mit euch hierher nach Odenford, weil ich gedacht hab, ich könnte helfen«, sagte sie. Ihr Blick war unverwandt auf Dancers Gesicht gerichtet, als wäre sie von ihm bezaubert worden. »Hab mich schlecht gefühlt. Ich dachte, ich könnte wiedergutmachen, was in Fellsmarch passiert ist.« Sie schluckte hart. »Ich hätte es lassen sollen.«
»Was meinst du damit, was in Fellsmarch passiert ist?«, fragte Dancer. Seine Stimme klang leise und beruhigend, als hätte er eine Zauberzunge.
»Mit Cuffs. Mit seiner Mam und seiner Schwester. Mit … den Raggern«, flüsterte Cat.
Dancer nahm jetzt den Lappen weg, tauchte ihn ins Wasser, wrang ihn aus und legte ihn ihr erneut auf die Stirn. »Wieso hattest du das Gefühl, dass du etwas wiedergutmachen müsstest?«
Cat riss den Lappen von ihrer Stirn und schleuderte ihn durchs Zimmer. »Weil es mein Fehler war«, schrie sie.
Han starrte sie an. Es gab eine Menge, wofür Cat sich zu verantworten hatte, aber er würde nicht zulassen, dass sie die Schuld dafür auch noch auf sich nahm. »Nein«, sagte er. »Das war mein Fehler. Mein eigener.« Er erinnerte sich daran, wie verstört Cat in der Nacht des Feuers gewesen war und wie sie und die anderen Ragger ihn davon abgehalten hatten, in den Stall zu gehen und nach Mam und Mari zu suchen. Auch in jener Nacht hatte sie ihm das Leben gerettet.
»Du hättest sie nicht retten können, wenn du das glaubst«, sagte er, und seine Stimme wurde etwas weicher. »Du darfst dir dafür nicht die Schuld geben.«
Sie schüttelte einfach nur den Kopf. »Du weißt gar nix.« Sie setzte sich jetzt auf, schwankte etwas, und einen Moment lang sah es so aus, als würde sie nach hinten kippen. Dancer legte einen Arm um sie, um sie zu stützen, und diesmal riss sie sich nicht von ihm los.
»Was hast du geglaubt, wem du es verkaufen kannst?«, fragte Han. »Das Amulett, meine ich.«
Cat verdrehte die Augen, als wäre Han ein Idiot. »Der Bayar-Fluchbringer ist vor ein paar Wochen zu mir gekommen. Er hat mich bedroht. Hat gesagt, er würde mich überall schlechtmachen, wenn ich das Zauberstück nicht für ihn stehle. Er hat gesagt, dass es ursprünglich sowieso ihm gehört hat und dass du es ihm weggenommen hast.«
Das musste gewesen sein, nachdem Bayar und seine Vettern aus Hampton hinausbefördert worden waren. Nachdem die Dekanin Bayar gesagt hatte, dass er sich zurückhalten sollte.
Irgendetwas fehlte, etwas, um das Cat herumredete, ohne es direkt
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