Das Exil Der Königin: Roman
Zimmer ein Mädchen gefunden hättest, hättest du sie nicht mit dem Schwert vertrieben.«
»Wenn er mit einer bekannten Diebin und Anführerin einer Streetgang gekuschelt hätte, vielleicht doch«, beharrte Amon. »Besonders dann, wenn diese Diebin ihn bereits mit einem Messer an der Kehle entführt und über Nacht gefangen gehalten hätte. Und ganz besonders, wenn diese Diebin sich plötzlich in eine Magierin verwandelt hätte.« Er stieß seinen Kopf vor, wie eine Schildkröte, die aus ihrem Panzer herausschaute. »Tatsächlich hätte ich mich ernsthaft gefragt, ob Mick noch bei Verstand ist.«
»Ich weiß, was ich tue«, betonte Raisa und zog ihr Uniformhemd wieder an. »Es ist ja nicht so, als hätte ich es geheim halten wollen oder so. Ich habe dir gesagt, dass er in Odenford ist.«
Hör einfach auf zu reden, dachte Raisa. Es gibt keinen Grund, warum du dich schuldig fühlen solltest.
»Wenn ich mich recht erinnere, hast du nur davon gesprochen, dass du nicht so tun kannst, als würdest du ihn nicht kennen. Da war nicht die Rede davon, dass du vorhattest, ihn zu … zu …« Er wedelte mit der Hand, und die Bewegung schloss das zerwühlte Bett mit ein. »Rai, du kennst ihn kaum. Und das, was du weißt, spricht nicht gerade für ihn.«
»Ich kenne ihn besser als du denkst«, widersprach Raisa. »Immerhin unterrichte ich ihn seit Monaten.«
»Du unterrichtest ihn?« Amon runzelte die Stirn. »Ist es das, was ihr eben getan habt?« Er schnappte sein Schwert und rammte es in die Scheide, als würde er einen Feind aufspießen, während er etwas von wegen unterrichten murmelte.
»Was war das?«, fragte Raisa. »Was hast du gerade gesagt?«
»Ich habe gesagt, wenn du ihn unterrichtet hast, was war dann das verdammte Thema?«
»Das geht dich nichts an«, antwortete sie. »Abgesehen davon gehst du selbst jede zweite Nacht über den Fluss, um bei Annamaya zu sein.«
»Das ist etwas anderes. Wir haben nicht …« Wieder wedelte er mit einer Hand in Richtung Bett.
Raisa stützte die Hände in die Hüften. »Willst du das denn überhaupt? Du solltest keine heiraten, in die du nicht verliebt bist.«
»Nun, ich habe nicht gerade die Wahl, oder?« Er setzte sich an den Rand des Kamins und legte den Kopf in die Hände.
Raisa starrte ihn einen Moment lang an, dann ging sie zu ihm und setzte sich neben ihn. Sie legte ihm eine Hand aufs Knie. »Ich weiß«, sagte sie. »Es tut mir leid.«
»Keiner von uns kann sich von dem befreien, was wir sind«, sagte Amon durch seine Finger. »Du müsstest eigentlich so tun, als wäre ich dein Befehlshaber, aber sobald ich dir einen Befehl gebe, verwandelst du dich in die Erbprinzessin. Und die Wölfe sehen dabei auch noch zu. Kann ich es ihnen verübeln, wenn sie anfangen zu glauben, dass die Befehle, die ich gebe, nicht verbindlich sind?«
»Es tut mir leid«, sagte Raisa noch einmal. »Aber es hilft nicht sehr, wenn du meine Gäste mit dem Schwert rausbeförderst.«
Amon ließ die Hände in seinen Schoß sinken und fingerte an dem Wolfsring herum. Er sah sie an. Schmerz stand in seinen grauen Augen. »Ich habe kein Recht, das zu fragen, aber – was läuft da zwischen dir und Alister? Ist es – ist es nur ein kurzes Abenteuer, oder …?«
»Es hat nichts damit zu tun, dass ich dir eins auswischen will, wenn du das meinst«, schnappte Raisa.
Amons Wangen wurden rot. »Ich hatte nicht nahelegen wollen, dass …«
»Es war verlockend, ja, aber nein«, sagte Raisa. Sie dachte einen Augenblick nach. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Er ist einfach großartig, und er lässt mich mit nichts davonkommen. Ich habe so viel von ihm gelernt – ich glaube, er macht mich zu einem besseren Menschen.«
Amon verdrehte die Augen. »Das klingt, als wäre er dein Priester und nicht dein Geliebter.«
»Er ist nicht mein Geliebter!«, versetzte Raisa. »Na ja, jedenfalls nicht richtig.«
»Nicht richtig? Oder noch nicht ganz?«
»Amon.«
Amon rieb sich müde die Augen. »Bei der Herrin, Raisa. Ich gebe mir alle Mühe.«
»Ich weiß.« Raisa biss sich auf die Lippe. Was hätte sie ihm sagen können? Ich nehme alles an ihm wahr, angefangen von seiner etwas lädierten Nase bis zu seinen Narben und den Augen, die so blau sind wie ein Hochlandsee mitten im Sommer. Manchmal sehe ich den Jungen, der er hätte sein können, wäre er nicht in Ragmarket groß geworden. In unbedachten Momenten zeigt sein Schmerz sich offen in seinem Gesicht, und zu anderen Zeiten kann ich sehen, wie
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