Das Exil Der Königin: Roman
auszusprechen. »Was wollte Bayar mir sagen?«, fragte Han direkt. »Was verschweigst du mir?«
Cat holte tief Luft, und dann strömten die Worte nur so aus ihr heraus, als hätte sie die ganze Zeit darauf gewartet, endlich beichten zu können. »Ich war’s«, sagte sie. »Ich war diejenige, die dem jungen Bayar-Fluchbringer gesagt hat, wo du wohnst, als sie dich in Ragmarket gesucht haben. Velvet war ihre Geisel, und sie haben gesagt, dass sie ihn töten, wenn ich es ihnen nicht verrate. Also hab ich es verraten. Dachte, es wäre so eine Sache … du oder er … und Velvet hab ich geliebt, und dich hab ich nicht geliebt. Dachte, sie würden einfach nur alles durchsuchen, und dann, wenn sie’s gefunden hätten, wär’s das gewesen. Ich hätte nie gedacht … hätte nie damit gerechnet, dass sie …« Ihre Stimme brach ab, und Tränen liefen ihr die Wangen hinunter.
»Du hättest nie gedacht, dass Mam und Mari sterben würden«, ergänzte Han.
Er wich vor Cat zurück, bis er mit dem Rücken an die Wand stieß. Er lehnte sich gegen sie und wünschte sich, verschwinden zu können, einfach mit einem Blinzeln auszugehen wie Zunder, um nicht noch mehr von alldem hören zu müssen.
Tränen brannten in seinen Augen. »Du hast nicht gewusst, mit wem du es zu tun hattest.«
»Das hab ich dann schnell rausgefunden«, sagte sie bitter. »Sie haben Velvet trotzdem getötet. Sie haben weiter nach dir gesucht und versucht, irgendjemanden dazu zu bringen, ihnen zu verraten, wo du bist. Wenn ich in dem Moment da gewesen wäre, wär ich jetzt genauso tot.« Sie holte zitternd Luft. »Wenn’s doch nur so wäre.«
Han hätte es wissen können, die ganze Zeit. Er hatte gedacht, es wäre Taz Mackney gewesen, aber nein. Es passte, dass er von jemandem verraten worden war, der nah an ihm dran gewesen war, von jemandem, der den Stall an einem Ort, an dem es nirgendwo Hausnummern und Namensschilder gab, gut kannte – so gut, dass die Blaujacken ihn im Auftrag der Bayars finden konnten.
»Danach wollte ich sie umbringen«, sagte Cat. »Sie alle.« Cat lächelte bitter. »Bin immer davon ausgegangen, dass ich gut mit ’ner Klinge umgehen kann. Aber ich war klug genug, um zu merken, dass ich bei ihnen keine Chance hab. Es wär so ähnlich gewesen, als hätte ich mich ins Feuer geworfen. Ich hätte es aber trotzdem getan, wenn ich wenigstens ein paar von ihnen hätte mitnehmen können.
Also hab ich Jemsons Angebot angenommen, nach Odenford zu gehen. Ich wollte Ragmarket nie wiedersehen. Bis Delphi bin ich gekommen, dann bin ich hängen geblieben. Hatte zu viel Angst, weiterzugehen, aber ich konnte auch nicht umkehren. Und dann hab ich dich getroffen. Du warst tatsächlich noch am Leben! Und da hatte ich die Idee, es wär vielleicht gar nicht so schlimm, im Süden zu leben, wenn du auch da bist. Ich wusste, dass du überleben würdest, ganz egal, wo. Du warst der beste Streetlord, den ich je gekannt hab. Aber ich wusste auch, dass du mir … dass du mir das Herz rausreißen würdest, wenn du erfährst, dass ich diejenige war, die dich verpfiffen hat.«
Sie sah Han mit einem geradezu hoffnungsvollen Blick an. »Also. Töte mich. Es ist dein Recht. Dann muss ich wenigstens nicht immer wieder darüber nachdenken, was ich falsch gemacht hab.«
Han rutschte die Wand hinunter, bis er mit dem Gesäß auf dem Boden aufkam. Er zog die Knie hoch und schlang seine Arme darum. Er fühlte sich benommen, betäubt. Er hatte seine Schuld jetzt so lange gehegt und gepflegt, dass er einfach nicht so weit war, irgendein Stück davon an Cat abzugeben.
»Ich werde dich nicht töten, Cat«, sagte er. »Es tut mir leid, aber das kann ich nicht. Du bist den Bayars einfach nur über den Weg gelaufen, als sie hinter mir her waren, das ist alles. Du und alle andern. Das ist es, was ich den Rest meines Lebens mit mir herumschleppen werde.«
Eine Weile saßen sie alle drei nur schweigend da.
»Was jetzt?«, fragte Dancer an niemand Bestimmten gerichtet. Er nahm Cats Hand und wiegte sie in seiner. Wieder wehrte sie sich nicht dagegen.
»Ich geh weg, wenn du das willst«, sagte Cat und starrte auf ihre Hände. »Du wärst dumm, wenn du mir jemals wieder trauen würdest. Und dumm bist du nie gewesen.« Sie sah Han an. »Aber ich würd gern bleiben und dir helfen. Ich weiß, gegen wen du losziehst, und ich verspreche dir – ich werd alles tun, was du sagst.«
»Nein«, widersprach Dancer. »Das hier ist nicht dein Kampf. Wir beide werden ihn nicht
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