Das Exil Der Königin: Roman
sich und stöhnte leise. Wahrscheinlich fühlte sich sein Kopf genauso an wie der von Han.
Han rutschte neben ihn. »Dancer!«, sagte er. »Wach auf!«
Dancer riss die Augen auf, aber es dauerte ein paar Sekunden, bis sich sein Blick so weit klärte, dass er Hans Gesicht erkennen konnte. Dann sah er Han in seiner für ihn typischen ruhigen Wachsamkeit an. »Was geht hier vor?«, flüsterte er mit aufgesprungenen Lippen. »Mein Amulett ist weg.«
»Es waren diese Soldaten im Schankraum. Sie wollten unsere Zauberstücke. Ich weiß nicht, woher sie wussten, dass wir welche hatten.«
»Einer von ihnen hatte die Gabe der Magie«, murmelte Dancer. »Mir geht’s richtig dreckig.«
»Sie haben uns mit Batiskraut betäubt«, erklärte Han.
»Wenn sie nur unsere Amulette haben wollten, wieso sind wir dann hier?« Dancers Aussprache klang so verschwommen, als wäre seine Zunge von der Droge geschwollen.
Han zuckte mit den Schultern, was einen prickelnden Schmerz durch seine Arme schickte. »Kannst du dich irgendwie befreien?«
Dancer versuchte, an seinen Fesseln zu ziehen, und schüttelte dann den Kopf. Wer immer sie gefesselt hatte, verstand etwas davon.
Han sah sich im Raum nach irgendetwas Scharfem um, das er benutzten konnte, um das Seil durchzuscheuern. Ein steinerner Kamin an der anderen Mauer wirkte vielversprechend. Die Feuerstelle war kalt, aber vielleicht gab es einen Eisenrost oder irgendwelche rauen Steine, die er benutzen konnte, um sich selbst zu befreien.
Han hatte bereits angefangen, zur Feuerstelle zu rutschen, als er Schritte hörte und Stimmen näher kamen. Ein Schlüssel klirrte im Schloss, die Tür wurde aufgestoßen und drei Männer traten ein.
Einer davon war Marin Karn, der mit Magie begabte Soldat, der sie unter Drogen gesetzt und entführt hatte. Karn trug eine große Laterne bei sich, die er auf den Kaminsims stellte; schummeriges Licht verteilte sich im Raum. Eine Satteltasche aus Leder hing über seiner Schulter, und Han wusste ohne jeden Zweifel, dass sich darin ihre Amulette befanden. Er sah Dancer an, der unauffällig nickte, während er den Blick ebenfalls auf die Tasche heftete.
Der zweite Mann war schlank, mittelgroß und hatte hellbraune Haare und blassblaue Augen. Er war gekleidet wie ein blaublütiger Soldat. Die Fibel, die an seinem Umhang befestigt war, trug das Abzeichen des Roten Falken, und seine Kleidung war aus den besten Stoffen gefertigt. Das Schwert an seiner Hüfte sah allerdings so aus, als wäre es schon oft im Einsatz gewesen.
Er schien ein paar Jahre älter zu sein als sie und bewegte sich mit der gefährlichen Anmut einer Fellskatze.
Der dritte Mann war der malthusische Priester, der sie in dem Schankraum als Sünder beschuldigt hatte. Er stand jetzt da und starrte auf Han und Dancer hinunter, als wären sie gemeine und gefährliche und faszinierende, aber hilflose Räuber. Es erinnerte Han an manche Leute auf dem Markt, die eine Kupfermünze dafür bezahlten, dass sie sich einen alten Bären ansehen durften, der an einen Baumstumpf gekettet war.
Aus dieser Nähe stank der Priester nach altem Schweiß und Fanatismus.
Der Blaublütige zog seine teuren Handschuhe aus und schlug sich damit gegen die Handfläche, während er auf Han und Dancer herunterblickte. Sein Gesicht verzog sich vor Verachtung.
»Sind sie das?« Er stieß mit dem Stiefel gegen Han. »Sind das die Magier aus dem Norden, von denen Ihr erzählt habt?«
»Magier!«, fuhr Karn Han und Dancer an. »Verbeugt euch vor Gerard Montaigne, dem Prinz von Arden.«
Han beugte gehorsam den Hals, während sein Verstand wild raste. Der Prinz von Arden? Han wusste nicht viel über die Adligen, aber er ging doch davon aus, dass der Prinz von Arden nicht in einer solch verfallenen Unterkunft wie dieser hier schlief.
»Seid Ihr sicher, dass niemand davon weiß?«, wandte sich Montaigne an Karn. Er benutzte die Sprache des Südens, die der Allgemeinen Sprache allerdings so ähnlich war, dass Han sie verstehen konnte. »Was ist mit Euren Männern? Soldaten können den Mund nie halten.«
»Sie glauben, dass es sich bei den beiden um Spione der Nordländer handelt«, sagte Karn. »Ich habe ihnen erklärt, dass ich sie allein befragen will, und sie auf Patrouille geschickt. Sie haben Euch nicht herkommen sehen.«
»Mir gefällt das trotzdem nicht«, sagte Montaigne mit spröder und kalter Stimme. »Ich habe Euch gesagt, dass ich mit Magie nichts zu tun haben will.« Er sah jetzt den Priester an. »Ich bin
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