Das Exil Der Königin: Roman
offiziellen Auftrag nach Zauberstücken suchte.
»Wir?« Karn zuckte unverbindlich mit den Schultern. »Wir sind gemietete Schwerter und befinden uns … sozusagen … zwischen zwei Einsätzen. Wir warten ab, wie sich alles entwickelt.«
Dancer gähnte wieder; er stützte das Kinn auf die Faust und wirkte jetzt sogar noch schläfriger als zuvor. Er hatte den Apfelwein ziemlich schnell getrunken, wahrscheinlich, weil er hoffte, dann endlich nach oben gehen zu können.
Han trank ebenfalls noch einen großen Schluck, mit dem er seinen Becher fast bis auf den Grund leerte. Da war er wieder, dieser bittere Geschmack, der sich über die klebrige Süße legte. Sein Verstand war mit einem Mal irgendwie unscharf und unkonzentriert.
Er sah zu Dancer hinüber, dessen Oberkörper jetzt ausgestreckt auf dem Tisch lag. Sein Kopf ruhte auf der Tischplatte, und seine Atemzüge gingen tief und gleichmäßig.
»Schätze, dein Freund hat genug«, stellte Karn fest. »Er hat ziemlich flott was weggetrunken.«
Das hatte Dancer tatsächlich, und dennoch hätte Apfelwein nicht so eine Wirkung haben dürfen …
Batiskraut. Han blinzelte Karn an; diese Erkenntnis versetzte ihm einen Schlag. Es war Batiskraut, und zwar ziemlich viel, das man ihnen in den Apfelwein gemischt hatte. Batiskraut konnte einen in null Komma nichts umhauen.
Han packte das Heft seines Messers und riss es los. Er versuchte aufzustehen, aber sein Körper gehorchte seinen Befehlen nicht mehr. Er war überwältigt von Müdigkeit, die Augen fielen ihm zu und schlossen sich ganz von alleine.
»Na, na«, sagte Karn und nahm ihm das Messer ab. »Schätze, dieser Apfelwein war stärker als ihr dachtet. Wir bringen euch wohl besser nach Hause.«
»Lasst uns in Ruhe. Wir wohnen hier«, murmelte Han protestierend. Seine Lippen fühlten sich taub an.
Karn schob seine fleischige Hand unter Hans Hemd und griff nach dem Schlangenstab-Amulett.
»Aaaaah!«, schrie er, ließ los und schlug sich mit der Hand auf den Oberschenkel.
Han beugte seinen Oberkörper nach vorn, um das Zauberstück zu beschützen. »Lass das, du heimtückischer Schnösel, sonst werde ich …« Er verlor den Faden und konnte sich plötzlich nicht mehr daran erinnern, was er hatte tun wollen.
Karn versuchte nicht noch einmal, ihm das Amulett wegzunehmen. Stattdessen hievten er und einer der anderen Soldaten ihn auf die Füße. Dancer wurde von zwei weiteren Soldaten aus der Tür gezerrt.
Was geht hier vor?, dachte Han, während er sein Amulett festhielt und die Füße gegen den Boden stemmte, ohne dass es irgendwas nützte. Was wollen die von uns?
Und dann dachte er gar nichts mehr.
Als Han erwachte, bescherte ihm das Batiskraut höllische Kopfschmerzen, und ihm war übel. Was darauf hindeutete, dass das Kraut von schlechter Qualität gewesen war. Er selbst hatte mit solchen Sachen noch nie gehandelt.
Er lag auf einem Steinboden, unter ihm nur eine Strohpritsche mit einer schmutzigen Decke darauf. Als sein Kopf sich endlich nicht mehr drehte, setzte er sich vorsichtig auf. Was nicht leicht war, da man ihm die Hände hinter dem Rücken fest zusammengebunden hatte, ebenso wie seine Fußknöchel. Er prüfte die Knoten, zog daran und versuchte, die Hände hindurchzuziehen oder die Seile über den Fußboden zu schieben und so zu lösen. Aber er erreichte damit gar nichts, abgesehen davon, dass er blaue Flecke bekommen würde und sich die Haut an den Handgelenken abschürfte. Seine Handgelenke waren so fest umschnürt, dass sich die Finger anfühlten wie fette, plumpe Würste. Er fühlte sich wie ein reiches Opfer am Tempeltag.
Dancer lag ein paar Fuß von ihm entfernt mit dem Gesicht nach unten und war auf ähnliche Weise gefesselt. Er schlief allerdings noch. Sie befanden sich in einem dunklen Raum, der nur von dem bisschen Mondlicht erhellt wurde, das durch die Ritzen der fest verschlossenen Fensterläden und unter der Tür hindurchfiel. Kühle Nachtluft drang durch undichte Stellen in der Mauer ein und brachte Han zum Frieren. Allerdings war die Luft frei vom Gestank der Stadt. Dies, und das Rascheln von Zweigen und das Zirpen von Grillen verriet ihm, dass sie irgendwo auf dem Land waren.
Sein Amulett war weg. Irgendwie hatten sie eine Möglichkeit gefunden, es ihm abzunehmen. Ein tiefes, durchdringendes Verlustgefühl erfasste ihn – als hätte ihm jemand das Herz herausgerissen. Die ganze Macht, die er darin gesammelt hatte, befand sich jetzt in der Hand von jemand anderem.
Dancer rührte
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