Das Exil Der Königin: Roman
gleichen Wohnheim wie sie – dem schlimmsten auf dem ganzen Kolleghof. Offensichtlich waren er und die beiden anderen auch zu spät gekommen. Aber warum?
»Seid Ihr ein Einjähriger oder was?«, fragte Max.
» Ja «, sagte Micah gedehnt. »Ich bin in Mystwerk House. Ich bin erst heute Morgen von den Fells gekommen. Wenn Ihr meinen Namen aufschreiben wollt, solltet Ihr wissen, dass mein Vater der …«
»Und Ihr solltet wissen, dass wir hier in Odenford keine Kämpfe tolerieren«, pflügte Max geradewegs über Micahs Worte hinweg. »Egal, wer Euer Vater ist. Neulinge wissen es nicht besser, aber sie lernen schnell oder verschwinden schon bald wieder. Und Ihr müsst ziemlich schnell lernen, Eure Wut zu beherrschen und Eure Hände bei Euch zu behalten.«
Wie ein Straßenkünstler machte Max eine Pause und ließ seinen Blick über die gebannte Zuhörerschaft schweifen. Dann richtete er ihn wieder auf Micah. »Ich gebe Euch eine faire Warnung. Noch mal irgendwelchen Ärger mit Euch, und Ihr landet vor dem Rektor. Und der Rektor hat keine Scheu, Euch rauszuwerfen, wenn Ihr zu dumm seid, um Euch zu benehmen.«
Max beugte sich näher zu Han und Micah hin. »Bei Angriffen mit Magie ist die Sachlage übrigens noch mal eine andere. Greift Ihr irgendwen mit Eurem Amulett an, gibt’s nicht mal eine Anhörung. Dann seid Ihr sofort draußen. Verstanden?«
Han schluckte schwer; er war froh, dass er der Versuchung widerstanden hatte, sein Amulett zu benutzen. Vermutlich hatte Max diese Rede schon häufiger gegenüber einjährigen blaublütigen Schnöseln geschwungen, die es von zu Hause gewohnt waren, dass sie mit ihrem schlechten Benehmen durchkamen.
»Ich bin nicht derjenige, der hier Fragen beantworten sollte. Er ist ein Dieb!«, rief Micah und deutete auf Han. »Er hat mir mein Amulett gestohlen.«
»So schnell schon?«, fragte Max und schlug eine neue Seite in seinem Notizbuch auf. »Wann war das? Ich dachte, Ihr wärt gerade erst gekommen.«
»Es war zu Hause«, sagte Micah. »Meine Vettern Miphis und Arkeda Mander haben alles gesehen.«
Die Mander-Brüder nickten einträchtig, wie Marionetten, die vom selben Marionettenspieler an den Fäden gezogen wurden.
»Ich war auch dabei«, sagte Dancer und trat aus den Schatten, um sich rechts neben Han zu stellen. »Und ich habe es anders in Erinnerung.«
Jetzt wirkte Micah Bayar sogar noch überraschter. » Du? Was tust du denn hier?«
»Das Gleiche wie wir alle. Ich gehe hier zur Schule«, antwortete Dancer. Er ließ sein Amulett los, und jetzt strahlte auch er das Glühen von Macht aus.
»Aber du bist ein Clan-Geborener!«, rief Bayar und benetzte sich die Lippen. Dancers Anwesenheit schien ihn noch mehr aus der Ruhe zu bringen als Hans. »Du hast nicht …« Er hielt inne. Er wollte vielleicht sagen: Du hast nicht die Gabe der Magie , während doch der Beweis vor ihm sonnenklar zu sehen war. »Was für einen Nutzen könnte ein Kupferkopf wohl aus dem ziehen, was wir hier lernen werden?«
»Für jemanden, der gerade erst angekommen ist, habt Ihr aber schon eine ziemlich genaue Vorstellung von den Abläufen hier, Micah Bayar«, stellte Max süffisant fest und verstaute sein Notizbuch wieder. »Wir sind nicht zuständig für das, was außerhalb von Odenford passiert. Es kümmert mich nicht, was bei Euch zu Hause vorgefallen ist. Ihr werdet es zurücklassen müssen.«
Inzwischen hatte Micah sich wieder gefangen. Was immer man über ihn sagen konnte, er lernte schnell. Er wandte sich an Rutha, die Kellnerin, die neben ihnen stand und zusah. »Ich entschuldige mich für die Verletzung und mein unbeherrschtes Verhalten«, sagte er und neigte den Kopf. »Es war unverzeihlich. Bitte, sucht einen Heiler auf und schickt die Rechnung nach Hampton House.«
Rutha nickte schnüffelnd. »Reißt Euch nur von jetzt an mehr zusammen.«
»Darauf könnt Ihr Euch verlassen«, sagte Micah. Er wandte sich an Max. »Sir«, sagte er, »ich entschuldige mich für diesen Vorfall. Ihr werdet von mir keinen Ärger mehr zu erwarten haben.«
»Gut«, antwortete Max. Er wirkte besänftigt. »Sorgt dafür, dass das auch wirklich so ist. Und jetzt gebt euch die Hände, ihr zwei, damit ich mich wieder um andere Sachen kümmern kann.«
Han sah Micah Bayar direkt in die Augen und lächelte das herausfordernde Lächeln eines Streetlords. Er hielt ihm seine Hand hin. Nach einem Augenblick des Zögerns nahm Micah sie. Macht flammte in einem magischen Duell auf, das in einem Patt endete.
Micah
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