Das Experiment
erlassen.«
Die Wissenschaftler schlossen sich Edwards Lachen an.
»Ich dachte, die Regierung hätte Vorschriften oder Gesetze über solche Dinge erlassen«, beharrte Kim.
»Das Nationale Gesundheitsinstitut hat solche Bestimmungen«, erklärte Stanton. »Aber die gelten für Institutionen, die vom Nationalen Gesundheitsinstitut subventioniert werden. Und wir bekommen ja keine Regierungsgelder.«
»Es muß doch irgendeine Vorschrift geben, die den Einsatz eines Präparats an Menschen vor Abschluß der Tierversuche verbietet«, sagte Kim. »Mir sagt der gesunde Menschenverstand, daß das unvernünftig und gefährlich ist. Erinnert ihr euch nicht mehr an Contergan? Beunruhigt euch das gar nicht?«
»Das kannst du überhaupt nicht miteinander vergleichen«, sagte Edward. »Es war nie die Frage, ob Contergan eine natürliche Verbindung ist, und es war auch wesentlich toxischer. Außerdem verlangen wir ja nicht vor dir, daß du Ultra nimmst. Du kannst die Kontrolle übernehmen.«
Wieder lachten alle. Kim wurde rot und ging in die Küche. Sie war sehr überrascht, wie schnell sich die Atmosphäre verändert hatte. Anfangs waren alle ziemlich gereizt gewesen, und jetzt waren sie geradezu ausgelassen. Kim wurde das unbehagliche Gefühl nicht los, daß hier eine Art Gruppenhysterie vorlag, vielleicht aus einer Kombination von Überarbeitung und überspitzten Erwartungen heraus.
Sie machte sich daran, die Brötchen aus dem Backofen zu holen. Aus dem Salon hörte sie Gelächter und muntere Unterhaltung. Plötzlich spürte sie, daß jemand hinter ihr in die Küche gekommen war.
»Ich dachte, ich könnte Ihnen vielleicht etwas helfen«, sagte François.
Kim drehte sich um und sah ihn an, wandte sich dann aber gleich wieder ab und blickte sich in der Küche um. Sie wollte den Anschein erwecken, als überlege sie, was er tun könne. In Wirklichkeit störte sie François’ Direktheit, und sie fühlte sich von der kleinen Episode im Salon immer noch ein wenig unbehaglich.
»Ich glaube, ich habe alles im Griff«, sagte sie. »Trotzdem vielen Dank für Ihr Angebot.«
»Darf ich mir nachschenken?« fragte er. Er hatte die Hand bereits an der Weinflasche.
»Selbstverständlich«, sagte Kim.
»Ich würde mir gern einmal die Umgebung ansehen, wenn es ein wenig ruhiger geworden ist«, sagte François, während er sich einschenkte. »Vielleicht könnten Sie mir die Sehenswürdigkeiten zeigen. Ich habe gehört, daß Marblehead reizend sein soll.«
Kim riskierte einen weiteren schnellen Blick auf François. Wie erwartet, starrte er sie eindringlich an. Als er ihren Blick bemerkte, lächelte er schief. Kim hatte das unbehagliche Gefühl, daß er mit ihr zu flirten versuchte.
Nachdem Kim sich zum Zubettgehen vorbereitet hatte, ließ sie ihre Tür offenstehen, um das Badezimmer im Auge behalten zu können. Sie wollte noch mit Edward reden, wenn der aus dem Labor kam. Unglücklicherweise wußte sie nicht, wann das sein würde.
Kim schob sich die Kissen zurecht, nahm Elizabeths Tagebuch vom Nachttisch und schlug es auf. Das Tagebuch hatte ihre Erwartungen nicht ganz erfüllt: Mit Ausnahme der letzten Eintragung war es eine Enttäuschung gewesen. Elizabeth hielt in erster Linie das Wetter und die Geschehnisse des Tages fest, statt dem Buch, was Kim viel interessanter gefunden hätte, ihre Gedanken anzuvertrauen.
Trotz ihrer Absicht, wach zu bleiben, schlief Kim gegen Mitternacht ein. Dann hörte sie plötzlich die Toilettenspülung. Sie schlug die Augen auf und sah Edward im Bad.
Kim rieb sich die Augen und schaute auf die Uhr. Es war kurz nach ein Uhr morgens. Mit einiger Mühe schaffte sie es schließlich, aufzustehen und in Morgenrock und Pantoffeln zu schlüpfen. Sie schlurfte ins Bad, wo Edward sich gerade die Zähne putzte.
Kim setzte sich auf den geschlossenen Toilettensitz und zog die Knie an die Brust. Edward warf ihr einen fragenden Blick zu, sagte aber nichts, bis er mit Zähneputzen fertig war.
»Wieso bist du um die Zeit noch wach?« fragte Edward. Es klang besorgt, nicht verstimmt.
»Ich wollte mit dir reden«, sagte Kim. »Ich wollte dich fragen, ob du wirklich vorhast, Ultra zu nehmen.«
»Sicher«, sagte er. »Wir werden morgen früh damit anfangen. Wir haben uns ein System ausgedacht, bei dem keiner weiß, wieviel er im Vergleich zu den anderen nimmt. Das war François’ Idee.«
»Und du hältst das wirklich für eine gute Idee?«
»Das ist wahrscheinlich sogar die beste Idee, die ich seit Jahren
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