Das Experiment
guter Freund, aber Elizabeth ist eine Hexe.«
»Ich bin erschüttert«, brachte Ronald hervor.
Samuel und Cotton Mather warfen sich einen Blick voller Verständnis und Mitgefühl für Ronald zu. Dann gab Samuel das Zeichen zum Aufbruch.
»Am besten gehen wir erst mal zurück in den Salon«, schlug Reverend Mather vor. »Ich glaube, wir könnten jetzt alle einen Krug Ale vertragen.«
Nachdem sie sich gesetzt und von dem erfrischenden Bier getrunken hatten, übernahm Reverend Mather das Wort: »Die Zeit, in der wir leben, stellt jeden von uns auf die Probe. Doch nun müssen wir alle dazu beitragen, die Katastrophe zu überwinden. Nachdem wir jetzt wissen, daß der Teufel Salem auserwählt hat, müssen wir mit Gottes Hilfe seine Diener und deren Vertraute ausfindig machen und sie aus unserer Mitte verbannen. Nur so können wir die Unschuldigen und die Frommen beschützen, die der Teufel verachtet.«
»Es tut mir leid«, warf Ronald ein. »Aber ich kann Ihnen dabei nicht helfen. Ich bin voller Sorge und Trauer. Ich kann einfach nicht glauben, daß Elizabeth eine Hexe sein soll. Ich brauche Zeit. Bestimmt gibt es einen Weg, ihr eine Gnadenfrist zu verschaffen – und wenn sie nur einen Monat Aufschub bekommt.«
»Einen Aufschub kann nur Gouverneur Phips gewähren«, sagte Samuel. »Aber es ist vergebliche Mühe, einen Antrag zu stellen. Er wird einen Aufschub nur gewähren, wenn ein zwingender Grund vorliegt.«
Die drei Männer verfielen in Schweigen. Nur der Stadtlärm drang durch das offene Fenster in den Raum.
»Vielleicht könnte ich einen Strafaufschub erwirken«, sagte Reverend Mather auf einmal.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer huschte über Ronalds Gesicht. Samuel sah den Geistlichen verwirrt an.
»Ich glaube, daß ich dem Gouverneur gegenüber eine Gnadenfrist rechtfertigen könnte«, erklärte Reverend Mather. »Aber nur unter einer Bedingung: Elizabeth müßte mit uns zusammenarbeiten. Sie müßte bereit sein, dem Fürsten der Finsternis den Rücken zu kehren.«
»Ich bin sicher, daß sie zur Zusammenarbeit bereit ist«, sagte Ronald. »Was müßte sie tun?«
»Zunächst muß sie im Gemeindehaus von Salem vor den Gläubigen ein Geständnis ablegen«, begann Reverend Mather. »Sie muß schwören, ihren Pakt mit dem Teufel zu kündigen. Zweitens muß sie die Gemeindemitglieder benennen, die ein ähnliches Bündnis mit dem Teufel eingegangen sind. Für die Gemeinde wäre das von großem Nutzen. Schließlich leiden die befallenen Frauen nach wie vor unter den Anfällen, und das ist wohl Beweis genug, daß der Teufel in Salem noch immer viele Gehilfen hat.«
Ronald sprang auf. »Ich werde noch heute nachmittag dafür sorgen, daß sie einwilligt«, sagte er aufgeregt. »Bitte sprechen Sie sofort mit Gouverneur Phips.«
»Ich warte lieber, bis wir Elizabeths Einverständnis haben«, erwiderte Reverend Mather. »Bevor sie eingewilligt hat, möchte ich seine Exzellenz lieber nicht behelligen.«
»Sie werden Elizabeths Wort bekommen«, versprach Ronald. »Allerspätestens morgen früh bin ich wieder hier.«
»Behüte Sie Gott«, sagte Reverend Mather zum Abschied.
Auf dem Weg zur Old North Church, wo die Kutsche wartete, konnte Samuel kaum mit Ronald Schritt halten.
»Du kannst mindestens eine Stunde sparen, wenn du die Fähre noch Noddle Island nimmst«, schlug Samuel vor, während sie die Stadt durchquerten.
»Dann nehme ich die Fähre«, sagte Ronald.
Samuel hatte recht gehabt. Für den Rückweg nach Salem benötigte Ronald erheblich weniger Zeit. Bereits am späten Nachmittag bog er wieder in die Prison Lane ein und brachte sein Pferd vor dem Gefängnis von Salem zum Stehen. Er hatte dem Tier, dem vor Erschöpfung der Schaum von den Nüstern tropfte, gnadenlos die Sporen gegeben.
Wie sein Pferd war Ronald am Ende seiner Kräfte und über und über mit Staub bedeckt. Der Schweiß floß ihm in Rinnsalen über die Stirn. Er fühlte sich seelisch ausgelaugt und hatte Hunger und Durst. Doch der Hoffnungsschimmer, den er Cotton Mather zu verdanken hatte, ließ ihn seine eigenen Bedürfnisse vergessen.
Als er in das Büro des Gefängniswärters platzte, mußte er frustriert feststellen, daß es leer war. Er hämmerte gegen die Eichentür, die zu den Zellen führte. Sofort wurde die Tür einen Spaltbreit geöffnet, und er starrte in das aufgedunsene Gesicht von William Dounton.
»Ich will meine Frau sehen«, schnaufte Ronald.
»Ich teile gerade das Essen aus«, entgegnete William. »Kommen Sie in einer
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