Das Experiment
einzuwickeln.«
»Es ist das erste Mal, daß ein Mitarbeiter hier auf der Intensivstation ein persönliches Paket bekommt«, bemerkte der Sekretär.
»Jetzt gib mir das Paket!« forderte Kim ihren Exfreund noch einmal auf. Sie war inzwischen knallrot, und vor ihrem inneren Auge sah sie die Kiste bereits heruntergefallen und Elizabeths Schädel über den Boden rollen.
Kinnard schüttelte die Kiste vorsichtig und horchte. Von der anderen Seite des Tresens konnte Kim deutlich hören, wie der schwere Schädel dumpf gegen die Seitenwände des Pakets kullerte.
»Sind wohl doch keine Süßigkeiten«, stichelte Kinnard weiter und verzog das Gesicht. »Es sei denn, er hat ihr einen Fußball aus Schokolade geschickt. Was glauben Sie, was da drin ist?« wandte er sich an den Sekretär und schüttelte das Paket noch einmal.
Kim war die Situation so unangenehm, daß sie am liebsten im Erdboden versunken wäre. Sie ging um den Tresen herum und versuchte Kinnard das Paket wegzunehmen, doch der hielt es hoch über seinen Kopf, so daß sie es nicht zu fassen bekam.
Plötzlich kam Marsha Kingsley von der anderen Seite um denTresen gestürmt. Wie die meisten anderen Mitarbeiter der Station hatte sie mitbekommen, was sich zwischen Kinnard und Kim abspielte. Sie stellte sich hinter Kinnard und zog seinen Arm herunter. Er leistete keinerlei Widerstand. Marsha nahm ihm das Paket ab und gab es Kim.
Da Marsha sah, daß Kim völlig aufgelöst war, zog sie sich kurz mit ihr in ein freies Zimmer zurück. Sie hörte, wie Kinnard und der Sekretär sich über sie lustig machten.
»Mach dir nichts draus«, versuchte Marsha ihre Freundin zu beruhigen. »Manche Leute haben eben einen seltsamen Humor. Es wird höchste Zeit, daß ihm mal jemand einen ordentlichen Tritt in seinen irischen Hintern verpaßt!«
»Vielen Dank für deine Hilfe«, sagte Kim. Sie hatte sich zwar schon ein bißchen beruhigt, doch ihre Hände zitterten immer noch.
»Ich verstehe nicht, was in ihn gefahren ist«, fuhr Marsha fort. »Warum tyrannisiert er dich nur so? Eine solche Behandlung hast du wirklich nicht verdient!«
»Er ist verletzt, weil ich mit Edward angebändelt habe«, erklärte Kim.
»Du willst ihn auch noch in Schutz nehmen?« fragte Marsha ungläubig. »Also ich kaufe Kinnard die Rolle des verschmähten Liebhabers wirklich nicht ab. Er ist ein verdammter Aufreißertyp!«
»Wen hat er sich denn geangelt?« wollte Kim wissen.
»Die neue Blonde aus der Notaufnahme.«
»Oh, das ist ja phantastisch«, bemerkte Kim sarkastisch.
»Das wird er schon noch selber merken«, sagte Marsha. »Nach allem, was man über die Frau hört, muß sie der Anstoß zu all den dämlichen Blondinenwitzen gewesen sein.«
Nach der Arbeit trug Kim das Paket zu ihrem Auto und packte es in den Kofferraum. Sie war unschlüssig, was sie als nächstes tun sollte. Ursprünglich hatte sie vorgehabt, dem Archiv des State House einen Besuch abzustatten. Nun überlegte sie, ob sie den Besuch nicht auf einen anderen Nachmittag verschieben sollte. Doch dann beschloß sie, beides miteinander zu verbinden; ihre unangenehme Aufgabe in Salem konnte sie sowieso erst in Angriff nehmen, wenn die Arbeiter die Baustelle verlassen hatten.
Kim ließ ihr Auto im Parkhaus des Krankenhauses stehen und ging durch Beacon Hill zum Massachusetts State House hinauf, einem imposanten Gebäude mit einer goldenen Kuppel. Nach der Arbeit im Krankenhaus genoß sie die frische Luft in vollen Zügen. Es war ein warmer, angenehmer Sommertag. Vom Meer wehte eine leichte Brise herüber, und die Luft schmeckte nach Salz. Als sie am Boston Commons vorbeiging, hörte sie das laute Kreischen der Möwen.
Am Informationsschalter des Parlaments fragte Kim nach dem Massachusetts-State-Archiv. Sie wurde an William MacDonald, einen stämmigen Angestellten, verwiesen. Ihm zeigte sie die Kopien von Ronalds Antrag und der abschlägigen Entscheidung Richter Hathornes.
»Das ist ja hochinteressant«, staunte William. »Ich liebe diese alten Dokumente. Wo haben Sie sie denn ausgegraben?«
»Im Gerichtsarchiv des Essex County«, erwiderte Kim.
»Und was kann ich für Sie tun?« wollte William wissen.
»Richter Hathorne hat Mr. Stewart empfohlen, einen neuen Antrag beim Gouverneur zu stellen, weil das Beweismittel, auf dessen Herausgabe er klagte, zwischenzeitlich im Bezirk Suffolk aufbewahrt wurde. Ich wüßte gerne, was der Gouverneur ihm geantwortet hat. Am meisten interessiert mich allerdings, um was für ein Beweisstück
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