Das Experiment
worden waren. Erleichtert stellte sie fest, daß der Sarg noch immer aus der Wand des Grabens ragte.
»Was wird mit dem Graben passieren?« wollte sie wissen.
»Er wird morgen wieder zugeschüttet«, erwiderte George.
Kim lief ein kalter Schauer über den Rücken; wenn George sie nicht angerufen hätte, hätte sie wirklich in einem Dilemma gesteckt.
»Glauben Sie, die Arbeiten können bis zum ersten September abgeschlossen werden?« fragte Kim, um die beunruhigenden Gedanken aus ihrem Kopf zu vertreiben.
Mark warf George einen fragenden Blick zu.
»Wenn keine unvorhergesehenen Probleme auftreten, müßtenwir es eigentlich schaffen«, sagte George. »Ich werde morgen früh die Fenster bestellen. Wenn sie nicht rechtzeitig lieferbar sind, können wir ja vorübergehend andere Fenster einsetzen.«
Nachdem die beiden endlich weggefahren waren, ging Kim ins Haus und suchte nach einem Hammer. Als sie ihn gefunden hatte, holte sie aus dem Kofferraum ihres Autos das Paket.
Während sie den Graben entlangging und nach einer flachen Einstiegsstelle suchte, registrierte sie überrascht, wie nervös sie war. Sie kam sich vor wie eine Diebin; alle paar Meter blieb sie stehen und horchte auf Geräusche.
Nachdem sie in den Graben gestiegen war und in Richtung Sarg zurückging, wurde es noch schlimmer. Zu allem Überfluß bekam sie plötzlich auch noch Platzangst. Über ihr ragten die endlosen Erdwände in den Himmel. Wenn sie aufsah, schienen sie sich über ihrem Kopf zu berühren, so daß sie Angst hatte, sie könnten jeden Moment einbrechen.
Mit zittrigen Händen machte sie sich an die Arbeit. Mit der Nagelklaue des Hammers stemmte sie das Kopfteil des Sargs auf und warf dann einen skeptischen Blick auf die mitgebrachte Kiste.
Nun stand ihr der unangenehmste Teil bevor. Ohne lange zu überlegen, entfernte sie hastig die Verpackung. Sosehr es ihr auch widerstrebte, den Schädel zu berühren – es war ihre heilige Pflicht, das Grab zumindest annähernd wieder so herzurichten, wie sie es vorgefunden hatten.
Kim öffnete die Laschen des Pappkartons und äugte vorsichtig hinein. Der Totenkopf lag mit dem Gesicht nach oben; an den Seiten war er von platt gedrücktem und vertrocknetem Haar umgeben. Kim starrte in die ausgetrockneten und eingesunkenen Augenhöhlen von Elizabeth. Sie schauderte. Verzweifelt versuchte sie, das grausige Gesicht der Mumie mit dem anmutigen Portrait in Einklang zu bringen; sie wollte es restaurieren und neu rahmen lassen.
Kim hielt die Luft an und griff in die Kiste. Als sie den Schädel berührte, bekam sie eine Gänsehaut; sie hatte das Gefühl, den Tod persönlich anzufassen.
Um nicht über irgendwelche Kabel und Leitungen zu stolpern, drehte Kim sich mit äußerster Vorsicht um und legte den Totenkopf zurück in den Sarg. Behutsam plazierte sie ihn an seinen ursprünglichen Platz. Sie berührte dabei mehrere feste Objekte, doch sie traute sich nicht nachzusehen, was es war. Eilig machte sie sich daran, das Kopfende des Sarges wieder festzunageln.
Als sie fertig war, packte sie die leere Kiste und die Schnüre zusammen und rannte zurück zum Auto. Erst als sie alles im Kofferraum verstaut hatte, entspannte sie sich etwas. Sie atmete einmal tief durch und war froh, daß sie die Sache hinter sich gebracht hatte.
Sie ging noch einmal zurück und warf einen letzten Blick auf den Sarg; sie wollte sichergehen, daß sie nichts vergessen hatte. Doch außer ihren Fußspuren war nichts zu entdecken.
Kim blieb noch eine Weile stehen, doch sie wandte ihren Blick von dem Sarg ab und betrachtete ihr ruhig daliegendes, gemütlich wirkendes Cottage. Als sie über das Feld zu der einsamen Burg hinüberblickte, türmten sich vor ihren Augen die unzähligen Aktenschränke, Koffer und Kisten auf.
Sie warf einen Blick auf die Uhr und stellte fest, daß es noch ein paar Stunden hell sein würde. Kurz entschlossen ging sie zu ihrem Auto und fuhr hinüber zur Burg.
Sie öffnete die schwere Eingangstür und pfiff leise vor sich hin, um sich Mut zu machen. Als sie vor der großen Treppe stand, zögerte sie. Natürlich war der Dachboden ein angenehmerer Aufenthaltsort als der finstere Weinkeller, doch ihre letzte Suchaktion auf dem Boden war ergebnislos gewesen. Sie hatte nicht ein einziges Dokument aus dem siebzehnten Jahrhundert entdeckt – obwohl sie nahezu fünf Stunden lang etliche Papierberge durchforstet hatte.
Kurz entschlossen machte sie kehrt, durchquerte das Eßzimmer und öffnete die schwere
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