Das Experiment Angel - Maximum Ride ; 1
tierärztliche Praxis mit einem anderen Arzt. Heute hatte sie zwar frei, aber sie war sicher, dass niemand sich etwas dabei denken würde, wenn wir in der Praxis auftauchten. Sie gab mir einen Anorak, aber ich war trotzdem furchtbar aufgeregt, andere Menschen so nah zu sehen.
»Hallo, Leute«, sagte Dr. Martinez, als wir in die Praxis kamen. »Das ist eine Freundin von Ella. Sie schreibt eine Arbeit darüber, wie es ist, Tierärztin zu sein. Ich habe ihr versprochen, sie mal schnell rumzuführen.«
Die drei Menschen am Empfang lächelten und nickten, als klänge das völlig glaubhaft. Vielleicht war es das. Woher sollte ich das wissen?
Zwei Sekunden nachdem ich hereingekommen war, erstarrte ich. Ich fühlte, wie mir das Blut ins Gesicht stieg. Totale Panik ergriff mich.
Da war ein Mann!
In einem weißen Kittel .
Dr. Martinez blickte zurück zu mir. »Max?«
Ich blickte sie stumm an. Liebevoll nahm sie mich am Arm und führte mich in ein Sprechzimmer. »Ja, hier drin behandeln wir unsere Patienten«, sagte sie freundlich und machte die Tür hinter uns zu. Dann drehte sie sich zu mir um und fragte leise: »Max, was ist denn los?«
Ich zwang mich, mehrmals tief durchzuatmen und die Fäuste an meinen Seiten zu lösen. »Es ist der Geruch«, flüsterte ich und schämte mich. »Der chemische Geruch. Wie in einem Labor. Der Mann im weißen Kittel. Ich muss hier raus, okay? Können wir gleich gehen, ganz schnell?« Ich suchte nach einem Ausgang, einem Fenster.
Sie rieb mir liebevoll den Rücken. »Ich kann dir versprechen, dass du hier in Sicherheit bist. Kannst du nicht so lange bleiben, bis ich eine Röntgenaufnahme gemacht habe? Danach kannst du sofort gehen.«
Ich wollte schlucken, aber mein Mund war ausgetrocknet. Mein Herz schlug so heftig, dass mir das Blut in den Ohren rauschte.
»Bitte, Max.«
Ich zwang mich zu nicken. Dr. Martinez vergewisserte sich, dass ich keinen Schmuck trug – woher auch! – und legte mich dann behutsam auf einen Tisch. Eine Maschine schwebte über mir. Ich hatte das Gefühl, gleich würden meine Nerven reißen.
Ellas Mom verließ den Raum. Ich hörte eine leises Summen, dann war alles vorbei.
Zwei Minuten später zeigte sie mir ein großes dunkles Foto, auf dem die Knochen meiner Schulter, des Arms und Teile des Flügels weiß abgebildet waren. Sie hielt es gegen einen Glasschrank an der Wand und schaltete das Licht darin an. Jetzt war das Foto ganz deutlich zu sehen.
»Schau!«, sagte sie fröhlich und fuhr mit dem Finger über die Umrisse meines Schulterblatts. »Dieser Knochen ist in Ordnung. Nur Muskelschaden – du kannst sehen, wie hier und da das Gewebe gerissen ist. Das ist gut. Aber leider brauchen Muskelverletzungen manchmal länger, bis sie geheilt sind, als Knochen. Allerdings heilt bei dir alles verblüffend schnell. Fast Zauberei, muss ich sagen.«
Sie vertiefte sich noch einmal in die Röntgenaufnahme und tippte mit dem Finger darauf. »Deine Knochen sind so fein und leicht«, sagte sie, als spräche sie zu sich selbst. »Sie sind wunderschön. Und was … hm … was ist denn dieses Ding?«
Sie deutete auf ein helles weißes Quadrat, vielleicht einen Zentimeter Seitenlänge, das mitten auf meinem Unterarm saß. »Das ist kein Schmuckstück, nicht wahr?« Sie blickte auf mich herab. »Ist das der Reißverschluss vom Anorak?«
»Nein – den habe ich ausgezogen.«
Dr. Martinez beugte sich näher zum Foto. »Es ist – es sieht aus wie ein …« Sie brach ab.
»Was?«, fragte ich. Ihr Gesichtsausdruck machte mir Angst.
»Es ist ein Mikrochip«, antwortete sie zögernd. »Wir setzen so etwas Ähnliches in Tiere ein, um sie zu identifizieren, wenn sie verloren gehen. Der hier sieht aus wie einer, den wir bei besonders teuren Tieren verwenden. Preisgekrönten Hunden und dergleichen. Sie haben einen Sender eingebaut, falls sie gestohlen werden. Damit kann man immer feststellen, wo sie sich befinden.«
42 Das sich steigernde Entsetzen in meiner Miene versetzte Dr. Martinez in große Sorge.
»Ich sage nicht, dass es so was ist«, sagte sie schnell. »Es sieht vielleicht nur so aus.«
»Nehmen Sie’s raus«, sagte ich heiser. Ich streckte den Arm aus und rollte den Ärmel hoch. »Bitte, nehmen Sie es gleich raus.«
Sie betrachtete noch mal das Röntgenbild für mehrere Minuten, während ich fast aus der Haut fuhr.
»Tut mir leid, Max«, sagte sie schließlich. »Ich glaube nicht, dass man es chirurgisch entfernen kann. Es sieht so aus, als habe
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