Das Experiment
so direkt antworten, Mr. Dean. Wenn Sie mir etwas anderes erzählt hätten, wäre mir klar gewesen, dass Sie lügen.“
„Oh, ich sage immer die Wahrheit. Die Frage ist nur, ob sie Ihnen gefällt. Und ob Sie es mir erlauben oder nicht, ich
werde
aufstehen und Virginia Shapiro in ihrem Zimmer aufsuchen.“
„Die Frage ist nicht, ob Sie tatsächlich dazu in der Lage sind, sondern, ob sie es überhaupt möchte.“
Sully sah die Schwester an. „Ich dachte, sie sei auf dem Weg der Besserung. Was soll das heißen?“
„Das ist sie auch. Aber seit ihrer Ankunft hat sie noch kein Wort gesagt.“
„Oh, zur Hölle“, murmelte Sully, drehte seine Beine zur Seite, damit er aufstehen konnte, und befasste sich abermals mit dem Klebeband der Kanüle. „Entweder helfen Sie mir, oder ich ziehe das ganz allein durch.“
„Schwester, würden Sie Mr. Dean bitte helfen, bevor er ein kleines Blutbad anrichtet?“ bat Dr. Metcalfe.
„Wo ist meine Kleidung?“ fragte Sully.
„Im Schrank“, sagte die Krankenschwester. „Wenn Sie einen Moment warten, werde ich sie Ihnen geben.“
„Ich hoffe, Ihnen ist klar, Mr. Dean, dass ich das nicht gutheißen kann“, sagte Dr. Metcalfe.
„Ja, ich weiß. Wenn ich hinfalle und mir die Nase breche, werde ich niemanden verklagen, okay? Geben Sie mir einfach nur meine Hose.“
Dr. Metcalfe verzog das Gesicht, da Sully so ungeduldig war. „Wenn Sie einen Rückfall haben, tun Sie weder ihr noch sich selbst einen Gefallen.“
„Dann werde ich wohl darauf achten müssen, dass ich keinen Rückfall habe, richtig?“
Der Arzt seufzte. „Schwester, lassen Sie bitte einen Rollstuhl kommen. Wenn wir sonst schon nichts tun können, dann werden wir Sie wenigstens bis zu Miss Shapiros Zimmer fahren.“
Die Schwester nickte, legte Sullys Kleidung auf das Bett und verließ das Zimmer.
Sully richtete sich langsam auf und hielt sich am Fußende des Betts fest. Diesmal war es mehr als nur ein kurzer Schwindel, der aber rasch wieder verschwand.
„Und wie fühlen Sie sich?“ fragte Dr. Metcalfe, während Sully sich die Hose überstreifte.
„Wie erschossen“, erwiderte Sully.
„Miss Shapiro … bedeutet Ihnen viel, oder?“
Sully hielt inne, atmete tief durch und nickte.
„Nun, wenn Sie ihr genauso viel bedeuten, dann wünsche ich Ihnen alles Gute“, meinte er und verließ das Zimmer.
Sully war unfähig, sich zu bewegen. Der Doktor hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Er ächzte leise, als hätte ihm jemand einen Faustschlag in die Magengrube verpasst. Sein Blick ruhte auf dem Linoleumboden des Zimmers, während er zurück auf sein Bett sank, aber er sah nicht den Boden, sondern Ginnys blutverschmiertes Gesicht. Er schloss die Augen und sah einen Moment lang das Foto, das sie und ihre Familie im Yellowstone Nationalpark zeigte.
Ob sie jemals wieder so würde lächeln können? Mit zittrigen Fingern machte er seine Hose zu, nahm sein Hemd und betrachtete die Blutflecken im Stoff. Er warf es zurück aufs Bett und beschloss, die Krankenhauskleidung als Hemd herhalten zu lassen. Fast hatte er die Tür erreicht, da kam ein Pfleger mit einem Rollstuhl ins Zimmer.
„Hüpfen Sie rein, Mann“, sagte er. „Ich habe gehört, Sie wollen eine Runde drehen.“
„Bringen Sie mich zum Zimmer von Virginia Shapiro.“
„Alles klar, Mann. Ich weiß Bescheid, das Zimmer mit der Wache davor.“
Im Flur vor ihrem Zimmer fiel ein Schrubber mit viel Lärm auf den Boden. Ginny zuckte angesichts des Geräuschs zusammen, Tränen schossen ihr in die Augen, und sie unterdrückte ein Stöhnen. Sie war auf dem Weg der Besserung. Sie hatte keine Brüche davongetragen, nur einige schwere Prellungen. Wenigstens hatte sie nicht genäht werden müssen. Wenn sie an die Größe des Messers dachte, das Carney Auger gezückt hatte, konnte sie froh sein, dass der Mann sie nicht zerstückelt hatte. Das hatte sie Sullivan zu verdanken. Sie wollte die Augen verschließen vor dem Grauen, das sie erlebt hatte, doch die Bilder wollten nicht verschwinden – ob sie wach war oder ob sie schlief. Seit man sie ins Krankenhaus gebracht hatte, waren die Bilder geblieben.
Dazu kamen die Schuldgefühle, weil sie der Grund dafür war, dass Sully verletzt worden war. Sie hatte die anderen reden hören, als sie sich schlafend gestellt hatte. Sully war bewusstlos, seit er im Flur ohnmächtig geworden war. Was, wenn er starb? Sie würde nicht mit dieser Schuld leben können.
Aber da war auch noch etwas anderes. Carney Auger war
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