Das Experiment
Schritt hin zu einer perfekten Welt, und er, Emile Karnoff, hatte den mit Auszeichnung geschafft.
Zugegeben, in den ersten Jahren waren ihm einige Fehler unterlaufen, doch damit war zu rechnen gewesen. Jede Forschung geriet einmal in eine Sackgasse, in vielen Fällen auch mehr als einmal. Aber wenigstens hatte er nicht sein ganzes Leben einer Forschung gewidmet, die nirgendwohin führte. Das war ihm schon früh bewusst geworden. Erst als er mit Experimenten an tatsächlich Erkrankten begann, wurden ihm die Möglichkeiten deutlich. Er dachte zurück an diese Zeiten, er erinnerte sich an die Gesichter der Kinder, die ihn so vertrauensvoll in ihren Verstand hatten vordringen lassen. Kinder waren am leichtesten zu behandeln und für seine Methoden am empfänglichsten.
Ein Klopfen an der Tür war das Zeichen, dass der Fahrer auf ihn wartete. Auf dem Weg zum Krankenhaus dachte er über seinen Sohn nach, als der noch ein Kind gewesen war. Es war zu schade, dass die kindliche Unschuld völlig verschwand, wenn sie reifer wurden. Phillip hatte kein Ziel, keine Träume. Er existierte einfach nur – ein Schatten der Liebe, die Emile und Lucy teilten. Er sah aus dem Fenster und sehnte sich nach den ländlichen Gebieten fernab der Stadt.
Emile seufzte. Er hatte sich in Irland verliebt. Das einfache Leben und die Schönheit der Landschaft in Verbindung mit der ehrlichen Freundlichkeit der Menschen hatten es ihm angetan. Auf den Fahrten vom und zum Krankenhaus überlegte er immer wieder, wie er wohl Lucy gegenüber auf die Idee zu sprechen kommen konnte, hier ein zweites Haus zu kaufen. Es musste nichts Extravagantes sein, weil das Leben hier so einfach war. Hier hätte er Ruhe für seine Forschungen, und von hier aus waren Reisen in alle Welt genauso einfach wie von Bainbridge, Connecticut, aus, wo sie jetzt zu Hause waren.
Schließlich hatte er kein Büro oder einen Patientenstamm, den er nicht einfach zurücklassen konnte. Er hatte die meiste Zeit seines Lebens mit der Forschung verbracht, und erst nachdem er den Nobelpreis erhalten hatte, bekam er Anfragen für Konsultationen. Wenn er wollte, konnte er innerhalb kürzester Zeit ein reicher Mann werden. Es würde Jahre dauern, ehe andere Ärzte seine Methoden erlernt hatten, und bis dahin wäre er so alt, dass er sich keine Gedanken mehr darüber machen musste, wie er noch mehr Geld verdienen konnte. Außerdem, ermahnte er sich, habe ich das zum Wohl der Menschheit gemacht.
„Sir, wir haben gleich das Krankenhaus erreicht“, sagte der Fahrer. „Soll ich auf Sie warten?“
Emile sah auf seine Armbanduhr, dann schüttelte er den Kopf: „Nein, danke, McGarrity, Sie können nach Hause fahren. Zurück nehme ich ein Taxi.“
„Es macht mir nichts aus, auf Sie zu warten“, beteuerte der Fahrer.
„Nein, wirklich nicht. Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird. Fahren Sie nach Hause und verbringen Sie den Abend mit Ihrer Familie. Ich wünschte, ich könnte das auch machen.“
„Ja, Sir, danke, Sir.“
Augenblicke später betrat Emile das Krankenhaus und war in Gedanken bereits bei der jungen Frau und der Arbeit, die bald erledigt sein würde. Sie war gerade mal zweiunddreißig Jahre alt. Es bereitete ihm ein gutes Gefühl, dass ihr Gehirn bereits einen anderen Weg eingeschlagen hatte, um den Körper zu heilen. Der Beweis fand sich in ihren Blutwerten und ihrem Aussehen. Die gelbliche Färbung ihrer Haut war fast verschwunden. In sechs Monaten würde sie nach seiner Einschätzung wie neugeboren sein. Durchaus ein Wunder für eine Frau, die die Ärzte bereits aufgegeben hatten.
Als er im vierten Stock angekommen war, ging er fast schwungvoll den Gang hinunter. Er hatte auch allen Grund dazu. Es gab nur einen anderen Menschen auf Erden, der so wie er geheilt hatte. Und den hatte man gekreuzigt. Emile stand dieses Schicksal nicht bevor.
„Ohhhh, Baby, bist du wach?“
Als eine Hand um sein Glied kreiste, schnappte Phillip nach Luft und fiel aus dem Bett.
„Wer zum Teufel bist du denn?“ fragte er, während er ungläubig auf eine magere Blondine blickte, die mit gespreizten Beinen in dem Bett lag, aus dem er gerade gefallen war.
„Komm her, Baby, ich bin geil“, keuchte sie und begann, sich zu streicheln.
„Oh Gott, oh Gott!“ stöhnte er und suchte nach seiner Kleidung. Sie war nirgends zu sehen. Das war aber nicht einmal das Schlimmste an diesem plötzlichen Erwachen. Viel unerfreulicher war, dass er weder wusste, wo er war, noch, wie er dorthin gekommen
Weitere Kostenlose Bücher