Das Experiment
fragte er und grinste, da er die beiden offensichtlich gestört hatte.
„Nichts Wichtiges“, sagte Ginny, als Sully sie absetzte. „Aber wenn Sie nicht zu unserer Hochzeit kommen, werden wir keines unserer Kinder nach Ihnen benennen.“
„Na, dafür werde ich schon sorgen“, jubelte er und klatschte in die Hände. „Das ist doch ein Grund zum Feiern. Hey, Sully, hast du den Champagner schon geköpft?“
„Nein, aber …“
„Wunderbar! Ich hole die Gläser.“ Er eilte aus dem Zimmer, ehe Sully etwas erwidern konnte.
Ginny drehte sich um und sah Sully an. „Ich werde dich immer lieben“, sagte sie leise.
„Danke, Baby.“
„Bedank dich nicht zu früh“, warnte sie ihn. „Du hast noch nicht meine Pasteten probiert.“
Emile saß an Lucys Bett und versuchte, seine perfekte kleine Frau in der mitgenommenen alten Frau zu finden, die dort lag. Ihr Haar war zerzaust, rote Ränder umgaben ihre Augen, die konstant Tränen absonderten. Seit fast vierundzwanzig Stunden hielt er sich jetzt schon im Krankenhaus auf, ohne irgendeine Reaktion von ihr zu erhalten. Sie murmelte immer wieder etwas von irgendwelchen Kassetten, was ihm als Thema etwas seltsam vorkam, wenn man in Betracht zog, dass ihr Sohn erst noch beerdigt werden musste.
Emile lehnte sich in seinem Stuhl so weit nach vorne, dass seine Stirn die Matratze berührte. Körper und Geist waren so erschöpft, dass er das Gefühl hatte, nicht mehr weitermachen zu können. Er war Mr. Wichtig gewesen, er hatte sich um die Gesundheit aller möglichen Menschen gesorgt und sich um das Geschäft gekümmert, aber für seine Familie hatte er nie Zeit gefunden. Sein Ego und sein Ruhm hatten vor der Familie immer Vorrang gehabt.
Lucy drehte den Kopf von einer Seite zur anderen und bearbeitete das Bettlaken mit ihren Fingernägeln, als würde sie versuchen, etwas aufzuheben. Er legte seine Hand auf ihre und tätschelte sie sanft.
„Lucy, meine Liebe. Ich bin es. Emile. Ich bin hier. Du musst diese Last nicht alleine tragen.“
„… stark und entschlossen … unter dem Bett … so ein guter Junge …“
Er vergrub das Gesicht in seinen Händen.
„Dr. Karnoff?“
Er sah auf.
Lucys Arzt war ins Zimmer gekommen.
„Dr. Rader?“
„Richtig. Es tut mir Leid, Ihnen unter diesen Umständen zu begegnen, aber ich möchte Ihnen sagen, dass ich schon seit langem Ihre Arbeit bewundere.“
Emile deutete eine leichte Verbeugung an, obwohl das alles jetzt so völlig unbedeutend erschien.
„Es ist bedauerlich, dass Ihre Techniken bei einem mentalen Trauma nicht wirken“, meinte Rader. „Ich kann mir vorstellen, dass das für Sie besonders frustrierend sein muss … so vielen Menschen können Sie helfen, aber in dieser Situation nützt Ihnen all Ihre Erfahrung nichts.“
Emiles Gesichtsausdruck verriet nichts, doch am liebsten hätte er den Arzt erwürgt, weil der so taktlos mit dieser Tragödie umging.
„Wann kann ich meine Frau mit nach Hause nehmen?“ fragte er.
„Nun, Sie sehen ja, in welcher Verfassung sie sich befindet. Sie kann sich im Augenblick nicht einmal um sich selbst kümmern und …“
„Sie muss nach Hause kommen. Ich werde dafür sorgen, dass sie rund um die Uhr betreut wird.“
„Sind Sie schon zu Hause gewesen? Man hat mir gesagt, dass es dort sehr schlimm aussehen soll.“
Emiles Argument blieb ihm im Hals stecken. Daran hatte er noch gar nicht gedacht. Er hatte sich alle Räume so sauber und wohlriechend wie immer vorgestellt, mit frischen Blumen aus Lucys Garten.
„Wir haben eine Putzfrau. Sie wird dafür sorgen, dass alles wieder in einen einwandfreien Zustand versetzt wird, auch wenn das etwas länger dauern sollte. Werden Sie sie in meine Obhut entlassen?“
Dr. Rader nickte. „In dieser besonderen Situation beuge ich mich Ihrem überlegenen Wissen, was das Wohlergehen Ihrer Frau angeht. Sie kennen sie am besten. Vielleicht holt die vertraute Umgebung sie aus dem Schock.“
Vielleicht macht es auch etwas aus, wenn sie keine bewusstseinsverändernden Medikamente mehr bekommt.
Er behielt seine Meinung für sich, stattdessen streckte er seine Hand aus.
„Ich danke Ihnen dafür, dass Sie sich um meine Frau kümmern.“
„Das ist doch selbstverständlich. Ich möchte Ihnen auch noch einmal mein aufrichtiges Beileid zum Verlust Ihres Sohnes aussprechen.“
„Ich werde jetzt nach Hause gehen“, sagte Emile. „Aber morgen früh werde ich sie abholen kommen.“
„Bis dahin habe ich alles Notwendige veranlasst“,
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