Das fängt ja super an! Coming-out-Roman
angelangt, wo ich aussteigen musste. Ich ging die Rolltreppe hinauf, zur linken Seite hinaus und die Straße in Richtung wieder zurück. Die Sonne begann im Westen unterzugehen und färbte den Himmel in den schönsten Rottönen, in den Ästen zwitscherten die Vögel und ab und an fuhren Autos an mir vorbei. Zwei Häuserblocks später bog ich links ab. Je näher ich dem Haus meines Vaters kam, desto langsamer wurde ich. Es war als würde ich an einem Gummiseil festgebunden sein, dessen Widerstand immer größer wurde und mich mehr und mehr zurück hielt. Aber warum wollte ich nicht zu meinem Vater? Ich freute mich doch, ihn nach über einem Monat wiederzusehen. Noch ein Häuserblock und ich würde dort sein. Wovor hatte ich Angst? Das war doch völlig unnötig, er würde mein Coming-Out sicher gut aufnehmen. Ich hatte doch bis jetzt ein gutes Verhältnis mit ihm. Warum sollte sich das heute Abend ändern? Nein, das war völlig unmöglich. Ich mache mir schon wieder Sorgen, obwohl das absolut unnötig war. Ich blickte noch einmal zum Himmel. Es hatten sich schwarze Wolken gebildet und ein leichter Wind begann zu wehen. Wohl ein letztes Sommergewitter, bevor der Herbst kam.
Noch einmal tief durchatmen und dann die Klingel drücken. Meine Hand zitterte und ich musste mich noch einmal sammeln.
Kurz darauf ging die Tür auf und Manuela lächelte mich an.
»Hallo Sammy, wie geht es dir?«
»Hallo Manuela, gut. Und bei euch ist auch alles in Ordnung?«
»Ja, aber komm doch rein.«
Ich betrat das Haus und zog meine Jeansjacke aus. Dann kam auch schon mein Vater und nachdem wir uns begrüßt hatten, gingen wir ins Esszimmer und setzten uns. Manuela brachte das Essen und währenddessen erzählte ich von meinem Urlaub. Was ich alles gesehen und was ich so angestellt hatte. Nur die Zeit mit Mike ließ ich zum Großteil aus.
»… und als ich gelandet war sah ich schon Mama auf mich warten. Wir sind dann nach Hause gefahren, und ich bin gleich ins Bett gefallen, so müde war ich.«
»Also hattest du richtig viel Spaß im Urlaub?«
Manuela brachte Eis als Nachtisch.
»Nicht nur Spaß, ich habe auch die Liebe meines Lebens getroffen.«
»Hast du ein Foto? Wie sieht sie denn aus? Ist sie hübsch? Und wie heißt sie denn?«, fragte mich mein Vater.
»Ich habe leider kein Foto dabei, sie ist richtig hübsch und sie heißt Mike.«
Schweigen …
»Was?«
»Ich habe mich in einen Jungen verliebt. Papa, ich bin schwul.»
Jetzt war es raus. Wieder ein Moment Stille. Mein Vater und Manuela starrten mich an.
»Willst du mich denn auf den Arm nehmen?«
»Nein.«
»Das kann nicht sein! Mein Sohn ist nicht schwul.«
»Doch Papa, es ist so.«
»Du lügst. In unserer Familie gibt es keine Schwulen, also bist du es auch nicht. Ändere das so schnell du kannst, oder du erlebst dein blaues Wunder.«
»Papa, ich bin schwul und das kann niemand ändern. Deine Drohungen helfen auch nichts. Ich bin so wie ich bin.«
Er schaute mich mit starrem Blick an und formulierte jedes Wort mit einer starken Betonung, aber er erhob nicht die Stimme. »Raus aus meinem Haus, du Abschaum!« Seine Worte, die er sehr gezielt formulierte, trafen mich wie ein Eimer eiskaltes Wasser.
»W… Wa… Wa… Was?«, fragte ich ungläubig.
»Du sollst endlich verschwinden aus meinem Haus. Ich will dich nie wieder sehen. Verschwinde! Du widerst mich an.« Mittlerweile war seine Stimme richtig laut geworden. Nein, sie war nicht mal mehr laut. Er brüllte mich an und sein Kopf wurde schon rot.
»Aber Papa …«
»Nein! Nenn mich nie wieder Papa! Ich bin nicht dein Papa! Und du bist nicht mein Sohn! Du Schwuchtel! Was fällt dir nur ein, so etwas Abartiges zu tun? Das ist ja ekelhaft!«
Manuela war es unangenehm. »Aber Rudi, wie sprichst du denn mit deinem Sohn?»
»Misch dich da nicht ein, Manuela! Das geht nur mich und diese Schwuchtel was an!« Er drehte sich wieder in meine Richtung. »Was, bist du immer noch da? Raus aus meinem Haus! Verschwinde endlich und lass dich hier nie wieder sehen, sonst garantiere ich für nichts!« Jetzt warf er ein Glas nach mir. Zum Glück reagierte ich schnell genug und duckte mich.
Ich rannte aus dem Zimmer, nahm meine Jacke und stürmte durch die Tür. Nur weg von hier, so schnell es ging.
»Du Abschaum …, du Schwuchtel …, nicht mehr mein Sohn …, du Stück Dreck…, lass dich hier nie wieder sehen …«, schoss es mir immer wieder durch den Kopf, Tränen traten aus meinen Augen. Was war nur mit meinem Vater
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