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Das fahle Pferd

Das fahle Pferd

Titel: Das fahle Pferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Zweige und Rosen arrangierte. »Gestern Abend sagten Sie doch etwas von einem ›fahlen Pferd‹…«
    Entsetzt fuhr sie zurück und ließ die Zweige samt den Rosen zu Boden fallen.
    »Können Sie mir etwas mehr darüber sagen?«
    Poppy fasste sich wieder. »Wie meinten Sie?«, fragte sie.
    »Ich habe mich nach dem ›fahlen Pferd‹ erkundigt.«
    »Ein fahles Pferd?«, fragte Poppy unschuldsvoll und schüttelte den Kopf. »Davon habe ich nie etwas gehört.«
    »Doch. Jemand erzählte Ihnen davon; wer war es?«
    Poppy holte tief Atem und sprach überstürzt: »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was Sie meinen. Und wir dürfen uns nicht mit den Kunden unterhalten…« Rasch hob sie meine Rosen auf und schlug sie flüchtig in ein Papier.
    »Das macht fünfunddreißig Shilling, bitte.«
    Ich gab ihr zwei Pfundnoten. Sie schob mir sechs Shilling in die Hand und wandte sich eifrig einem anderen Kunden zu.
    Aber ich hatte bemerkt, dass ihre Hände zitterten.
    Langsam ging ich hinaus. Erst später kam mir zum Bewusstsein, dass sie mir zu viel Geld herausgegeben hatte. Ich sah wieder das hübsche, leere Puppengesicht vor mir und die großen blauen Augen. Aber diese blauen Augen hatten mir etwas gezeigt…
    Angst, sagte ich mir. Sie hat tödliche Angst – aber vor was? Und weshalb?

12
     
    » W elche Erlösung!«, seufzte Mrs Oliver. »Zu denken, dass alles vorbei… und nichts geschehen ist.«
    Wir fühlten uns wirklich alle erleichtert. Rhodas Fest war vorübergegangen wie alle derartigen Festlichkeiten: große Angst und Sorge wegen des Wetters, das sich am Vormittag sehr launisch gezeigt hatte – lange Überlegungen, ob man Stühle im Freien aufstellen oder alles in die große Scheune und das Hauptzelt verlegen sollte – leidenschaftliche Diskussionen über den Teeausschank und die einzelnen Vorführungen – periodische Ausbrüche von Rhodas prächtigen, aber ungezogenen Hunden, die eigentlich im Haus eingesperrt bleiben sollten, weil man nicht wusste, wie sie sich den Gästen gegenüber benehmen würden.
    Schließlich war es Abend geworden. Die ländlichen Tänze in der Scheune hatten noch kein Ende gefunden. Ein großes Feuerwerk stand auf dem Programm, doch die geplagten Veranstalter hatten sich ins Haus zurückgezogen und erholten sich bei einem kalten Essen in der Küche. Jeder schwatzte drauflos und kümmerte sich wenig darum, was der andere sagte. Es war alles sehr gemütlich und ungezwungen. Die endlich erlösten Hunde zerknackten Knochen unter dem Tisch.
    Die Gesellschaft bestand aus meiner Kusine Rhoda und ihrem Mann, Colonel Despard, Miss Macalister, der schottischen Erzieherin der Kinder, ferner einer jungen rothaarigen Dame, die sehr passend als Ginger angeredet wurde, aus Mrs Oliver und Rev. Caleb Dane Calthrop mit Frau. Der Reverend war ein reizender älterer Gelehrter, der zu jeder Bemerkung eine Analogie bei den Griechen und Römern fand. Aber er erwartete nie, dass man darauf einging.
    »Wie Horaz sagt…«, bemerkte er und blickte wohlwollend in die Runde.
    Die übliche Pause entstand und dann meinte Ginger nachdenklich: »Ich bin überzeugt, Mrs Horsefall hat beim Auslosen des Champagners geschummelt. Ihr Neffe hat ihn gewonnen.«
    Mrs Dane Calthrop, eine verwirrende Frau mit klaren Augen, sah Mrs Oliver durchdringend an. Ganz unerwartet fragte sie: »Sie befürchten, dass auf diesem Fest etwas geschehen würde – was?«
    »Nun, irgendein Mord oder dergleichen.«
    Mrs Calthrop schien sehr interessiert.
    »Weshalb gerade ein Mord?«
    »Das weiß ich wirklich nicht – aber beim letzten Fest, an dem ich teilnahm, passierte das.«
    »Ich verstehe. Und das hat Sie natürlich außer Fassung gebracht?«
    »Ganz entschieden.«
    Der Reverend ging von Latein zu Griechisch über.
    Nach einer Pause äußerte Miss Macalister gewisse Zweifel über die korrekte Durchführung der Verlosung einer lebendigen Gans.
    »Es war sehr nett von dem alten Lugg von ›King’s Arms‹, uns zwölf Dutzend Flaschen Bier zu spenden«, erklärte Colonel Despard.
    »King ’ s Arms?«, fragte ich scharf.
    »Das bekannteste Lokal hier herum, mein Lieber«, gab Rhoda Auskunft.
    »Gibt es nicht noch ein anderes – ›Das fahle Pferd‹, wenn ich mich recht erinnere?«
    Hier löste das Wort keine Aufregung aus, wie ich fast erwartet hatte. Die Gesichter wandten sich mir gleichgültig lächelnd zu.
    ›»Das fahle Pferd‹ ist kein Lokal, Mark«, ließ Rhoda sich wieder vernehmen. »Wenigstens nicht mehr.«
    »Es war einmal eine

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