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Das fahle Pferd

Das fahle Pferd

Titel: Das fahle Pferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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schäbig und außerdem wurde es verdunkelt durch riesiges Gesträuch, das vor den Fenstern wuchs und anscheinend nie energisch gestutzt wurde. Trotzdem wirkte das Zimmer seltsamerweise nicht düster, sondern beruhigend. Eine plumpe Uhr auf dem Kamin tickte gelassen und regelmäßig. Hier würde man immer Zeit haben zu reden, seine Sorgen und Kümmernisse loszuwerden, die das grelle Licht des Tages scheuten.
    Und hier saß nun auch ich, Mark Easterbrook, Gelehrter, Schriftsteller und Weltmann, und war bereit, dieser grauhaarigen, erfahrenen Frau meine Sorgen anzuvertrauen. Weshalb? – Das verstand ich selbst nicht. Ich wusste nur ganz genau, dass sie die Richtige dafür war.
    »Wir waren heute Nachmittag zum Tee bei Thyrza Grey«, begann ich.
    Es war nicht schwierig, Mrs Calthrop etwas zu erklären; sie kam einem auf halbem Wege entgegen.
    »Oh, ich verstehe. Das hat Sie etwas aus der Fassung gebracht. Ich gebe zu, diese drei Frauen sind schwer zu verdauen. Ich habe mich auch schon mehrmals gefragt… sie machen ja selbst so viel Aufhebens davon. Aber meine Erfahrungen haben mich gelehrt, dass wirklich böse Menschen sich ihrer Verderbtheit nicht rühmen; sie halten lieber den Mund. Nur über kleine Sünden will man unbedingt sprechen und mit ihnen prahlen, um ihnen mehr Gewicht zu geben. Die Dorfhexen sind fast immer dumme, bösartige alte Weiber, denen es ein geheimes Vergnügen bereitet, die Leute zu erschrecken… und dafür noch etwas einzuheimsen. Lächerlich einfach, im Grunde genommen. Wenn Mrs Browns Hennen alle sterben, braucht man nur geheimnisvoll mit dem Kopf zu nicken und düster zu sagen: ›Ja, ihr Billy hat letzten Dienstag mein Kätzchen geärgert.‹ Bella Webb könnte so eine Hexe sein. Sie könnte allerdings auch etwas Schlimmeres verkörpern… etwas, das seit uralten Zeiten im Verborgenen herumgeistert und hin und wieder in unseren Dörfern auftaucht. Das ist dann wirklich beängstigend, denn es verrät echte Bosheit und nicht nur den Wunsch zu imponieren. Sybil Stamfordis ist eine der dümmsten Frauen, die mir jemals begegnet sind – aber sie besitzt tatsächlich mediale Kräfte. Thyrza nun… über Thyrza bin ich mir nie ganz klar geworden. Was hat sie Ihnen erzählt? Vermutlich etwas, das Sie sehr erregt hat.«
    »Sie besitzen sehr viel Erfahrung, Mrs Calthrop. Würden Sie es für möglich halten, dass ein menschliches Wesen aus der Entfernung, ohne direkten Kontakt, von einem anderen Menschen – ausgelöscht werden kann?«
    Mrs Dane Calthrops Augen öffneten sich weit.
    »Mit ›ausgelöscht‹ wollen Sie wohl sagen: getötet? Also ein klarer, physischer Mord?«
    Ich erschrak, als das Wort so kaltblütig ausgesprochen wurde.
    »Ja«, bestätigte ich.
    »Nun, ich würde sagen, das ist purer Unsinn«, erklärte Mrs Calthrop lebhaft.
    »Ah!« Ich atmete erleichtert auf.
    »Aber natürlich könnte ich mich auch irren«, fuhr sie nachdenklich fort. »Mein Vater dachte, Luftschiffe seien Unsinn, und mein Urgroßvater behauptete dasselbe wahrscheinlich von Eisenbahnen. Beide hatten Recht, denn zu ihrer Zeit waren das unvorstellbare Dinge. Heute aber sind sie eine Selbstverständlichkeit. Was sagt Thyrza nun? Will sie Todesstrahlen aussenden? Oder setzen sich alle drei zusammen, zeichnen Pentagramme und wünschen sich etwas dabei?«
    Ich begann zu lachen. »Sie rücken die Dinge wirklich wieder an den richtigen Platz. Die drei Frauen müssen mich ganz einfach hypnotisiert haben.«
    »O nein«, bemerkte Mrs Calthrop. »Das ist unmöglich; Sie sind nicht der Typ, der sich so leicht beeinflussen lässt. Es muss sich um etwas anderes handeln – um etwas, das vorher geschah, vor diesem Besuch heute Nachmittag.«
    »Sie haben ganz Recht«, gab ich zu. Und dann erzählte ich ihr in möglichst klaren, kurzen Worten vom Mord an Pater Gorman und von der zufälligen Erwähnung des »Fahlen Pferdes« durch Poppy. Schließlich zog ich die Liste aus der Tasche, die ich von Corrigan abgeschrieben hatte.
    Mrs Calthrop schaute den Zettel an und runzelte die Stirn.
    »Ich verstehe«, sagte sie langsam. »Aber wo liegt der gemeinsame Nenner bei all diesen Leuten?«
    »Wir wissen es nicht genau. Es könnte sich um Erpressung handeln oder um Rauschgift…«
    »Unsinn!«, erklärte sie erneut. »Das ist es nicht, was Sie quält. Sie glauben doch, alle diese Leute seien umgeko m men, nicht wahr?«
    »Ja«, gab ich mit einem tiefen Seufzer zu. »Genau das ist es, was ich befürchte. Aber ich weiß es nicht mit

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