Das fahle Pferd
habe ein Erlebnis gehabt, das möglicherweise mit der Sache in Zusammenhang steht, über die wir kürzlich sprachen.«
»Was war das noch?… O ja, ich weiß: Pater Gorman.«
»Richtig! Doch zuerst möchte ich wissen, ob ›Das fahle Pferd‹ Ihnen etwas sagt.«
»›Das fahle Pferd‹… ›Das fahle Pferd‹…? – Nein, ich glaube nicht. Weshalb fragen Sie?«
»Weil ich für möglich halte, dass es im Zusammenhang steht mit der Liste, die Sie mir damals zeigten. Ich war vor ein paar Tagen bei Freunden auf dem Lande, in einer Ortschaft namens Much Deeping, und dort erzählte man mir etwas von einem Lokal… oder besser gesagt: einem ehemaligen Lokal, das sich ›Das Fahle Pferd‹ nennt.«
»Moment mal! Much Deeping? Much Deeping… Ist das nicht in der Nähe von Bournemouth?«
»Ungefähr zwanzig Meilen davon entfernt.«
»Sie sind dort nicht zufällig auf einen Burschen namens Venables gestoßen?«
»Sicher! Ich war sogar bei ihm eingeladen.«
»Das nenne ich Glück! Wie sieht der Mann aus?«
»Er ist ein sehr interessanter Mensch.«
»Tatsächlich? In welcher Beziehung?«
»Vor allem durch seine Persönlichkeit. Obwohl er infolge Kinderlähmung verkrüppelt ist…«
Corrigan unterbrach mich hastig. »Was sagen Sie da?«
»Er hatte vor ein paar Jahren Kinderlähmung und ist seither von den Hüften abwärts gelähmt.«
Corrigan warf sich ärgerlich in den Sessel zurück. »Das erledigt also den ganzen Fall!«, rief er. »Ich wusste doch, dass da etwas nicht stimmen konnte!«
»Ich verstehe nicht, was Sie damit sagen wollen.«
»Das müssen Sie unbedingt Inspektor Lejeune berichten. Als Pater Gorman getötet wurde, suchte Lejeune per Polizeiaufruf nach Zeugen, die den Ermordeten in der fraglichen Zeit gesehen haben. Die meisten Antworten waren natürlich Humbug, wie immer. Doch ein Apotheker namens Osborne meldete sich und erklärte, Pater Gorman sei an dem betreffenden Abend an seiner Apotheke vorbeigegangen und gleich nach ihm ein anderer Mann. Natürlich habe er sich nichts weiter dabei gedacht. Aber er konnte uns diesen Burschen ziemlich genau beschreiben und war sogar überzeugt, ihn jederzeit wiederzuerkennen.
Nun, vor ein paar Tagen hat Lejeune einen Brief von diesem Osborne erhalten; er hat sich vom Geschäft zurückgezogen und lebt jetzt in Bournemouth. Er behauptet, zu irgendeinem Fest nach Much Deeping gekommen zu sein und dort den betreffenden Mann gesehen zu haben. Er habe sich in einem Rollstuhl vorwärts bewegt und heiße Venables.«
Er blickte mich fragend an und ich nickte.
»Stimmt«, gab ich zu. »Das kann Venables gewesen sein, denn er war wirklich bei diesem Fest. Aber es ist ausgeschlossen, dass er derselbe Mann ist, der damals Pater Gorman folgte. Es ist physisch unmöglich – da muss Osborne sich irren.«
»Er hat ihn sehr genau beschrieben: Größe etwa ein Meter achtzig, große Hakennase und stark hervortretender Adamsapfel. Stimmt das?«
»Es würde auf Venables zutreffen. Aber trotzdem…«
»Ich weiß. Dieser Osborne mag im Erkennen von Gesichtern bei Weitem nicht so zuverlässig sein, wie er sich einbildet. Offensichtlich hat er sich durch eine zufällige Ähnlichkeit täuschen lassen. Verblüffend ist jedoch, dass Sie plötzlich daherkommen und mir etwas von dem gleichen kleinen Nest berichten – etwas von einem ›fahlen Pferd‹. Was ist dieses Ross nun wirklich? Erzählen Sie mir doch Ihre Geschichte!«
»Sie werden sie nicht glauben«, warnte ich ihn. »Um ganz ehrlich zu sein: Ich kann sie selbst kaum glauben.«
»Schießen Sie los! Ich bin ganz Ohr.«
Ich schilderte ihm also meine Unterhaltung mit Thyrza Grey – und seine Reaktion war unzweideutig.
»Was für ein unglaublicher Blödsinn!«
»Nicht wahr? Das habe ich mir zunächst auch gesagt.«
»Blödsinn, nichts anderes! Was ist denn in Sie gefahren, Mark! Weiße Hähne – Opfertiere, nehme ich an. Ein Medium… die Ortshexe… und eine verschrobene alte Jungfer, die unsichtbare Todesstrahlen aussenden kann! Komplett verrückt, Menschenskind, das müssen Sie doch zugeben.«
»Ja, es klingt verrückt«, bestätigte ich.
»Oh, stimmen Sie mir doch nicht so düster zu, Mark. Sonst beginne ich wirklich zu glauben, es könnte doch etwas hinter dieser Sache stecken. Sie sind überzeugt, dass etwas daran ist, nicht wahr?«
»Lassen Sie mich zuerst eine Frage stellen. Hat diese ›Todessehnsucht‹, von der Thyrza Grey sprach, einen wissenschaftlichen Hintergrund?«
Corrigan zögerte einen Moment,
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