Das fahle Pferd
Ich kann nicht warten… es gibt da gewisse Dinge…«
Mochte er doch glauben, dass die Dinge zwischen Hermia und mir schon zu weit gediehen waren oder dass sich ein anderer Mann zwischen uns drängen wollte – mir war es gleichgültig. Ich wollte nur die Dringlichkeit der Angelegenheit deutlich machen.
»Das ändert den Einsatz ein wenig«, lächelte er gutmütig. »Sagen wir achtzehnhundert zu eins, dass Ihre Frau vor Ablauf eines Monats das Zeitliche segnet. Ich habe das so im Gefühl.«
Ich dagegen hatte das Gefühl, ich müsse jetzt zu handeln beginnen – und tat es. Aber Bradley zeigte sich sehr gewandt. Er schien genau zu wissen, über welchen Betrag ich im Notfall verfügen konnte, und seine geschickte Andeutung, bei meiner Verheiratung lasse sich der kleine Verlust leicht verschmerzen, bewies mir, dass er auch über das Vermögen von Hermia Bescheid wusste. Außerdem verschaffte ihm natürlich mein Drängen eine sichere Position. Jedenfalls zeigte er sich unnachgiebig.
Ehe ich ihn verließ, war die nachdenkliche Wette abgeschlossen. Ich unterzeichnete eine Art von Schuldverschreibung mit einer Menge unverständlicher Rechtsphrasen.
»Ist meine Unterschrift rechtlich bindend?«, erkundigte ich mich.
»Oh, Sie werden es bestimmt nicht darauf ankommen lassen«, lächelte Mr Bradley äußerst höflich. »Eine Wette ist eine Wette – und wenn ein Mann seine Wettschulden nicht bezahlt… Nein, wie gesagt, das würde ich Ihnen nicht raten.«
»Ich denke gar nicht daran, mich drücken zu wollen«, knurrte ich erbost.
»Dessen bin ich sicher, Mr Easterbrook. Nun zu den geschäftlichen Abmachungen: Ihre Frau wohnt zurzeit in London, soviel ich verstanden habe. Wie lautet ihre Adresse?«
»Müssen Sie das unbedingt wissen?«
»Selbstverständlich, Sir. Das Nächste, was Sie nun zu tun haben, ist, eine Vereinbarung mit Miss Grey zu treffen – Sie erinnern sich doch an Miss Grey?«
Das konnte ich ohne Weiteres zugeben.
»Eine erstaunliche Frau… höchst begabt. Sie wird einen kleinen Gegenstand verlangen, den Ihre Frau getragen hat… ein Taschentuch oder einen Handschuh zum Beispiel.«
»Aber weshalb in aller…«
»Fragen Sie mich nicht nach Gründen – ich habe nicht die blasseste Ahnung. Miss Grey behält ihre kleinen Geheimnisse für sich.«
»Können Sie mir nicht wenigstens sagen, was geschieht?«
»Mr Easterbrook, Sie müssen mir glauben, wenn ich Ihnen sage, dass ich nicht das Geringste darüber weiß. Und was wichtiger ist: Ich will es auch gar nicht wissen! Lassen wir es also dabei bewenden.«
Er machte eine Pause, um dann väterlich fortzufahren: »Mein Rat ist folgender, Mr Easterbrook: Besuchen Sie Ihre Frau, beruhigen Sie sie vorläufig und lassen Sie vielleicht sogar eine Andeutung fallen, dass Sie zu ihr zurückkehren werden. Sie können ihr sagen, Sie müssten für eine Weile verreisen, aber bei Ihrer Rückkehr… und so weiter…«
»Und dann?«
»Nachdem Sie ihr einen kleinen Gebrauchsgegenstand entwendet haben, fahren Sie nach Much Deeping. Wie ich hörte, haben Sie ja Verwandte dort…«
»Eine Kusine.«
»Das vereinfacht die Sache. Diese Dame wird Sie doch bestimmt für ein paar Tage bei sich aufnehmen.«
»Wie machen es denn die anderen Kunden? Steigen sie dort in dem kleinen Wirtshaus ab?«
»Manchmal. Andere wieder fahren rasch von Bournemouth herüber. Aber auch darüber weiß ich nicht genau Bescheid – es geht mich ja auch gar nichts an.«
»Was soll meine Kusine denn davon halten?«
»Sagen Sie ihr ruhig, Ihre Neugier hinsichtlich der drei Bewohnerinnen des ›Fahlen Pferdes‹ sei erwacht, und Sie möchten einer Séance beiwohnen. Nichts einfacher als das. Miss Grey und ihre Freundin veranstalten öfter solche Séancen – Sie wissen ja, wie Spiritisten sind. Sie sehen – es gibt gar keine Schwierigkeiten dabei.«
»Und – nachher?«
Er schüttelte lächelnd den Kopf.
»Das ist alles, was ich Ihnen sagen kann – tatsächlich alles, was ich selbst weiß. Vergessen Sie nicht, einen Handschuh oder etwas Ähnliches mitzubringen. Und anschließend würde ich Ihnen raten, eine kleine Reise zu unternehmen. Die Italienische Riviera ist um diese Jahreszeit sehr schön. Eine oder zwei Wochen genügen.«
Ich erklärte, dass ich keine Lust habe, England zu verlassen.
»Auch das steht Ihnen frei – nur sollten Sie auf keinen Fall in London bleiben.«
»Weshalb?«
Mr Bradley sah mich vorwurfsvoll an.
»Wir garantieren unseren Kunden absolute Sicherheit – wenn
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