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Das fahle Pferd

Das fahle Pferd

Titel: Das fahle Pferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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führte das Gespräch allein. In leichtem Plauderton erzählte sie von lokalen Ereignissen – ganz in der Art einer freundlichen alten Jungfer vom Lande, die sich nur um ihre allernächste Umgebung kümmerte.
    Ich sagte mir, ich sei verrückt, vollkommen verrückt! Was hatte ich hier zu befürchten? Selbst Bella wirkte wie eine harmlose, dümmliche Bäuerin, wie es sie zu Hunderten gibt. Der Gedanke, dass Ginger von diesen drei Frauen ein Unheil drohen sollte, kam mir plötzlich völlig unfassbar vor.
    Wir beendeten die Mahlzeit.
    »Kaffee gibt es nicht«, entschuldigte sich Thyrza. »Er bewirkt eine Stimulation, die nicht angebracht ist.« Sie erhob sich. »Sybil?«
    »Ja«, flüsterte diese mit ekstatischem Ausdruck, der andeuten sollte, dass sie weit, weit von dieser Welt entfernt war. »Ich muss mich vorbereiten…«
    Bella begann den Tisch abzuräumen. Thyrza und ich gingen über den Hof zur Scheune. Die Nacht war dunkel und sternenlos, sodass ich beim Betreten des Raumes geblendet die Augen schließen musste. Am Tag hatte die Scheune ausgesehen wie eine freundliche Bibliothek – jetzt aber wirkte sie ganz anders. Die Lampen waren nicht angeschaltet, das Licht kam von einer indirekten Quelle und gab der Umgebung ein kaltes, bläuliches Aussehen. In der Mitte erhob sich ein purpurnes Lager auf einem niedrigen Podest, das mit kabbalistischen Zeichen verziert war. Am anderen Ende des Zimmers stand eine Art Feuerschale, daneben ein großes, anscheinend sehr altes Kupferbecken.
    An der Wand nahe dem Eingang befand sich ein schwerer, hochlehniger Eichenstuhl. Thyrza bedeutete mir, dort Platz zu nehmen. Ihre ganze Art hatte sich auf einmal verändert. Seltsamerweise hätte ich aber nicht zu sagen vermocht, worin diese Veränderung bestand. Jedenfalls lag nichts Okkultes darin. Aber das Alltägliche war von ihr abgefallen, dahinter kam der zweite Mensch zum Vorschein. Sie hatte etwas von einem Arzt an sich, der im Begriff steht, eine schwere und gefährliche Operation vorzunehmen. Dieser Eindruck wurde noch verstärkt, als sie zu einem Wandkasten schritt und ein langes Übergewand hervorholte. Wenn das Licht darauf fiel, glitzerte es wie ein Gewebe von Metallfäden. Sie streifte lange Handschuhe über, die fast wie Kettenpanzer aussahen.
    »Man muss Vorsichtsmaßnahmen ergreifen«, erklärte sie.
    Dann wandte sie sich mit nachdrücklicher, tiefer Stimme an mich. »Ich muss Ihnen nahe legen, Mr Easterbrook, sich ganz still zu verhalten und an Ihrem Platz zu bleiben. Unter keinen Umständen dürfen Sie sich von Ihrem Stuhl erheben – das könnte gefährlich für Sie sein. Wir machen hier keine Kinderspiele – ich löse Kräfte aus, die für den Nichteingeweihten schädlich sein könnten.« Sie machte eine kleine Pause und fuhr fort: »Haben Sie mitgebracht, was man Ihnen aufgetragen hat?«
    Ohne ein Wort zu sagen, zog ich einen weichen braunen Lederhandschuh aus der Tasche und reichte ihn ihr.
    Sie ging damit zu einer Tischlampe mit einem Metallschirm, knipste diese an und hielt den Handschuh unter den scharfen Lichtstrahl. Gleich darauf machte sie die Lampe wieder aus und nickte zufrieden.
    »Sehr gut«, bemerkte sie dazu. »Die physischen Emanationen sind außergewöhnlich stark.«
    Sie legte den Handschuh auf ein Gestell, das aussah wie ein großer Radioapparat. Dann rief sie mit erhobener Stimme: »Bella – Sybil! Wir sind bereit.«
    Sybil kam als Erste herein. Über ihr pfauenblaues Kleid hatte sie einen langen schwarzen Mantel geworfen, den sie mit dramatischer Geste fallen ließ, während sie näher trat.
    »Ich hoffe, alles wird gut gehen«, wisperte sie. »Man kann nie ganz sicher sein. Bitte, Mr Easterbrook, verhalten Sie sich ruhig und spötteln Sie nicht innerlich. Das macht alles so viel schwieriger.«
    »Mr Easterbrook ist nicht gekommen, um zu höhnen«, verwies Thyrza. Ihre Stimme klang grimmig.
    Sybil streckte sich auf dem purpurnen Diwan aus und Thyrza ordnete ihr das Gewand.
    »Liegst du bequem so?«, erkundigte sie sich besorgt.
    »Ja, danke, meine Liebe.«
    Thyrza machte einige Lichter aus, dann rollte sie eine Art Baldachin auf Rädern herbei und stellte ihn so auf, dass er den Diwan beschattete und Sybils Gestalt in düsterem Halbdunkel ließ.
    »Zu viel Licht beeinträchtigt eine völlige Trance«, erklärte sie. »Nun ist alles vorbereitet. – Bella?«
    Bella trat aus dem Schatten hervor und beide Frauen näherten sich mir. Thyrza ergriff meine linke und Bella meine rechte Hand, worauf sie

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