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Das fahle Pferd

Das fahle Pferd

Titel: Das fahle Pferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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schon unser erstes Gespräch geführt hatten. Sie wies mir einen Stuhl an und ließ sich ebenfalls in einen Sessel fallen, wobei sie mich forschend ansah. »Nun?«, fragte sie. »Was haben Sie unternommen?«
    Ich erzählte ihr alles, ohne das Geringste auszulassen. Mir schien, als ob ich sogar von Dingen sprach, die mir selbst bisher noch nicht klar geworden waren.
    »Heute Abend also?«, meinte sie schließlich nachdenklich.
    »Ja.«
    Sie schwieg einen Augenblick und dachte nach. Aber ich vermochte mich nicht länger zu beherrschen und platzte heraus: »Es ist grässlich, grässlich! Und ich habe so fürchterliche Angst um sie.«
    Sie betrachtete mich freundlich.
    »Sie ist so… so tapfer«, fuhr ich eifrig fort. »Wenn ihr etwas zustoßen sollte…«
    Mrs Calthrop schüttelte langsam den Kopf.
    »Ich sehe nicht, was ihr geschehen sollte… nicht, wie Sie es befürchten.«
    »Aber anderen Leuten ist etwas zugestoßen.«
    »Ja, so scheint es…« Eine leichte Unsicherheit klang in ihren Worten mit.
    »Sie nimmt die ganze Gefahr auf sich«, rief ich.
    »Jemand muss es tun«, gab Mrs Dane Calthrop zu bedenken. »Ginger ist genau die Richtige dafür. Sie ist intelligent und hat ihre Nerven im Griff. Ginger wird Sie nicht im Stich lassen.«
    »Das ist es doch nicht, was mir Sorgen macht!«
    »Am besten ist es, Sie machen sich überhaupt keine Sorgen. Ihr hilft das auf jeden Fall nichts. Wir dürfen uns nicht vor den Folgen drücken wollen. Wenn sie als Folge dieses Experiments sterben sollte, so ist es wenigstens für einen großen Zweck.«
    »Mein Gott, wie brutal Sie sind!«
    »Jemand muss es sein«, gab Mrs Calthrop zurück. »Immer das Schlimmste erwarten – Sie wissen gar nicht, wie das die Nerven stärkt. Unwillkürlich beginnen Sie sofort zu denken, es könne gar nicht so schlimm kommen, wie Sie befürchten.« Aufmunternd nickte sie mir zu.
    »Sie mögen Recht haben«, seufzte ich.
    Mit ruhiger Selbstverständlichkeit bestätigte Mrs Calthrop diese Tatsache.
    »Sie haben doch wohl ein Telefon?«, fragte ich.
    »Natürlich.«
    Ich erklärte ihr meine Absicht.
    »Sobald diese… dieses Geschäft heute Abend erledigt ist, möchte ich in ständiger Verbindung mit Ginger bleiben und sie jeden Tag anrufen. Ich wäre froh, wenn ich das von hier aus tun dürfte.«
    »Sehr verständlich. Bei Rhoda ist ein ständiges Kommen und Gehen. Sie aber möchten sicher sein, dass man Ihre Gespräche nicht mithört.«
    »Ich werde noch ein paar Tage bei Rhoda bleiben und mich dann vielleicht nach Bournemouth begeben. Vorläufig soll ich jedenfalls nicht in London gesehen werden.«
    »Nun, es ist zwecklos, weiter zu denken als bis zum heutigen Abend. Begnügen Sie sich damit.«
    »Heute Abend…« Ich stand auf und sagte etwas, das meinen Ohren selbst fremd klang. »Beten Sie für mich… für uns.«
    »Selbstverständlich«, gab Mrs Calthrop in einem Ton zurück, der ihr Erstaunen darüber ausdrückte, dass man daran auch nur eine Sekunde zweifeln konnte.
    Unter der Tür wandte ich mich mit plötzlicher Neugier um.
    »Was soll eigentlich dieser Kübel?«, erkundigte ich mich.
    »Oh, der ist für die Schulkinder. Sie pflücken Beeren und Blätter von den Hecken, um die Kirche zu schmücken. Das Ding ist scheußlich – aber so praktisch.«
    Ich blickte mich um und sah den ganzen Reichtum des Herbstes in voller Schönheit vor mir ausgebreitet.
    »Alle guten Engel mögen uns beschützen«, flüsterte ich.
    »Amen«, fügte Mrs Dane Calthrop hinzu.

30
     
    M ein Empfang im ›Fahlen Pferd‹ war höchst konventionell. Ich weiß nicht, welch düstere Atmosphäre ich erwartet hatte – aber jedenfalls nicht das.
    Thyrza Grey empfing mich in einem schlichten, dunklen Wollkleid und sagte völlig geschäftsmäßig: »Ah, da sind Sie ja. Sehr gut, wir können gleich essen.«
    Der Tisch war für ein einfaches Mahl am Ende der Halle gedeckt. Es gab Suppe, eine Eierspeise und Käse. Bella wartete uns auf. Sie trug ein steifes schwarzes Kleid und sah mehr denn je aus wie eine Hintergrundfigur auf einem alten flämischen Gemälde. Sybil hatte ihre exotische Note beibehalten; sie war in ein langes pfauenblaues Gewand gehüllt, das mit goldenen Borten besetzt war. Ihre Perlengehänge fehlten, dafür klapperten schwere goldene Armreife um ihre Handgelenke. Sie aß fast nichts, sprach wenig und hatte einen völlig abwesenden Blick, der uns zeigen sollte, dass sie in höheren Sphären schwebte. Aber der Effekt war theatralisch und unecht.
    Thyrza Grey

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