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Das Falsche in mir

Das Falsche in mir

Titel: Das Falsche in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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mich nicht. Ich sehe auf meine Hand; sie gehört mir nicht. Es ist das reine Grauen vor dem Nichts, der absoluten Leere. Ich höre jemanden stöhnen und merke, dass ich das bin. Ich stehe auf, spritze mir eiskaltes Wasser ins Gesicht und fühle mich langsam wieder zu Hause in meinem Körper, wenn auch sonst nirgendwo.
    Achter, neunter, zehnter Tag?
    Ich weiß es nicht, und ich habe keine Lust zu rechnen. Jedenfalls ist heute ein Mittwoch, das habe ich einer Zeitung entnommen.
    Mittwoch.
    Ich bin früh aufgestanden, habe mich durch Leyden bewegt wie in Trance, habe in Schnellrestaurants und an Kiosken gegessen, mich in überfüllten Kaufhäusern herumgetrieben und gehofft, dass mich niemand erkennt. Am schlimmsten wäre es,auf einen ehemaligen Kollegen zu treffen oder einen Freund, oder – Gipfel des Entsetzens – auf Birgit oder meine Töchter.
    Ich habe versucht, tagsüber in der Pension zu bleiben. Aber je mehr Zeit vergeht, desto unerträglicher wird mir mein unattraktives Versteck. Ich kenne mittlerweile jeden Kratzer an der fleckigen Wand, jede Kerbe in dem rissigen Holzboden. Der Raum ist voller Erinnerungen an dunkle Träume.
    Mittwoch.
    An einem Mittwoch hat alles begonnen. Wie von selbst lenke ich gegen 17 Uhr meine Schritte dorthin: in die Harlemgasse, wo das Mädchen, dessen Namen ich nicht kenne, einmal in der Woche Klavierstunde hat. Ich setze mich auf die Bank im Glaspavillon der Straßenbahnhaltestelle, von wo aus ich das Haus gut im Blick habe.
    Vielleicht sitzt neben mir ihr Vater. Das Alter würde passen. Ich sehe vorsichtig zu dem Mann herüber, er starrt auf das Haus, genau wie ich. Wenn jetzt eine Straßenbahn kommt, werde ich einsteigen. Ich bete darum, dass eine kommt. Stattdessen geht die schwere dunkle Haustür auf. Sie ist es. Heute trägt sie einen knielangen offenen Mantel, dicke schwarze Strickstrumpfhosen, einen roten Schal und ein knallblaues Minikleid. Ich erkenne sie vor allem an ihrem typischen unbeschwerten, fast hüpfenden Schritt. Sie geht wie immer nach links, die Samoastraße hinunter, Richtung Lessingdamm.
    Neben mir steht der Mann auf. Erst erschrecke ich, aber dann erkenne ich, dass er das nur tut, weil sich nun tatsächlich die Straßenbahn nähert. Er ist nicht ihr Vater, und er beachtet mich überhaupt nicht. Ich stehe ebenfalls auf und warte, bis er eingestiegen ist, dann folge ich ihr – nicht allzu schnell, denn ich kenne ja ihren Heimweg.
    Schließlich sehe ich sie am Lessingdamm. Sie steht mit einem Jungen unter einer Straßenlaterne, schaut zu ihm auf, lacht, redet, gestikuliert.
    All das wirkt aus der Entfernung ein bisschen zu lebhaft, etwas zu bemüht, während er von einem Bein auf das andere tritt, als würde er nur auf eine Gesprächspause warten, um endlich weggehen zu können. Ich bleibe siebzig, achtzig Meter vor dem Paar stehen, tue so, als würde ich ein matt erleuchtetes Schaufenster studieren, in dem schwarze und rote Fetischmode an billigen Puppen ausgestellt ist.
    Während ich mir überlege, dass mein zur Schau gestelltes Interesse an ausgerechnet diesem Schaufenster verdächtig sein könnte, sehe ich aus dem Augenwinkel, dass sie ein paar Schritte rückwärts macht und sich verabschiedet, ohne Kuss, nur mit einem Winken.
    Ich folge ihr, weiterhin in einem sicheren Abstand. Bei der Dunkelheit kann sie mich nicht bemerken. Sie biegt in die Stargarder Straße ein. Mir fällt auf, dass sie nicht mehr hüpft. Ihr Gang wirkt schwerfälliger und gedrückter, die Hände sind tief in den Taschen ihres Mantels vergraben, die Schultern hochgezogen, einmal bleibt sie fast stehen, senkt den Kopf, als hätte sie etwas verloren.
    Das zwingt auch mich, langsamer zu werden – zu langsam für einen großen Mann mit langen Beinen wie mich. Ich bleibe stehen, um ihr einen Vorsprung zu lassen. Es ist niemand sonst auf der Straße. Seit ein paar Tagen liegen die Temperaturen nur noch knapp über dem Gefrierpunkt, die Luft ist klamm und dumpf von der nebligen Feuchtigkeit.
    Und plötzlich glaube ich, etwas im Nacken zu spüren, ein Seufzen, einen Atemzug. Ich fahre herum, aber direkt hinter mir ist niemand. Ich nehme meine nutzlose Fensterglasbrille ab und mustere meine Umgebung. Stille hohe Häuser mit kleinen Vorgärten. Alte Kastanienbäume, die mittlerweile fast alle Blätter verloren haben.
    Kein Mensch zu sehen.
    Ich setze mich wieder in Bewegung, elektrisiert von einer Idee.
    Kann es sein, dass der Mörder sein nächstes Opfer bereits ins Auge fasst? Ich

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