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Das falsche Opfer

Das falsche Opfer

Titel: Das falsche Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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holpern. Lavers war bereits halbwegs
im Haus, als ich den Healey parkte und ihn einholte.
    »Ich hatte also gleich das erstemal recht?« sagte er gepreßt. »Irving und Mrs. Kramer!«
    »Woher, zum Teufel, wollen Sie
das jetzt schon wissen?« fragte ich.
    »Was denn sonst?« knurrte er.
    In der Diele wartete Polnik mit einem törichten Gesichtsausdruck auf uns, das
heißt, er blickte noch törichter als sonst.
    »Also, was ist los?« sagte der
Sheriff giftig.
    »Himmel, ich weiß es nicht,
Sheriff«, antwortete der Sergeant mit erschreckter Stimme. »Gegen halb elf
sagte Mrs. Kramer zu uns gute Nacht und sie ginge
jetzt zu Bett, Wir saßen draußen auf der hinteren Terrasse und — unterhielten
uns, als sie von uns weg und ins Haus ging. Ungefähr eine halbe Stunde später
sagte Mr. Kramer, er wolle jetzt in sein Arbeitszimmer gehen und noch einiges
Geschäftliche erledigen. Ich ging also noch mal ums Haus herum, um nachzusehen,
ob alles okay war, ob die Außentüren verschlossen waren und so, und kam dann
wieder auf die Terrasse zurück. Als nächstes weiß ich nur noch, daß ich einen
Schuß im Haus drin fallen hörte und...«
    »Wann war das?« bellte Lavers .
    »Drei oder vier Minuten nach
Mitternacht«, antwortete Polnik prompt. »Als ich ins
Arbeitszimmer trat, lag Mrs. Kramer mit einer Kugel
im Kopf tot auf dem Boden — und Mr. Kramer hatte sich in einen Stuhl geworfen
und das Gesicht in die Hände vergraben. Ich glaube, es war der Schock; aber für
eine Weile dachte ich, er wäre vielleicht übergeschnappt.« Polnik war offensichtlich nun, da er Gelegenheit gehabt hatte, dies auszusprechen,
wesentlich glücklicher — es war ein tiefgründiger Gedanke, und er gefiel ihm.
    »Zumindest hat Kramer einen
Anlaß zum Überschnappen«, sagte der Sheriff unfreundlich. »Wo ist er jetzt?«
    »Im Wohnzimmer, Sheriff«, sagte Polnik verletzt. »Ich brachte ihn so schnell wie möglich
aus dem Arbeitszimmer und in ein anderes Zimmer. Ich dachte...«
    »Egal, was Sie gedacht haben!«
brüllte Lavers . »Zeigen Sie uns erst mal die Leiche!«
    Der Sergeant ging durch das
Haus voran zum Arbeitszimmer, fummelte eine Weile in seinen Hosentaschen herum,
um den Schlüssel zu finden, und öffnete dann die Tür. Es war genau derselbe
Raum, in dem ich am Nachmittag gewesen war, und den einzigen Unterschied
bildete die auf dem Teppich ausgestreckte Leiche.
    Sally Kramer lag auf dem
Rücken, und ihr Kopf ruhte auf dem langen roten Haar wie auf einem Kissen. Ihre
Augen waren weit geöffnet, und um ihre über die Zähne zurückgezogenen Lippen
lag ein Ausdruck tiefster Furcht. Sie trug noch immer den blauen Kordsamtanzug vom Nachmittag. Ich erinnerte mich an das,
was sie im Wagen zu mir gesagt hatte, und daß es mir wie chinesische Musik in
den Ohren geklungen hatte, die zwar ohne Melodie war, aber über einen logischen
Rhythmus und sinnvolle Tonmuster verfügte, wenn man die Geduld aufbrachte, sie
zu begreifen.
    Das dunkle Loch in ihrer Stirn
unmittelbar unter dem Haaransatz gemahnte auf häßliche Weise an die unvermeidliche Brutalität eines gewaltsamen Todes. Für einen
Burschen, der mehr Leichen im Leben gesehen hat, als ihm lieb ist, fühlte ich
mich bei dieser hier auf seltsame Weise bedrückt. Irgendwie hatte ich Sally
Kramer gegenüber ein Empfinden von Verantwortung, so als hätte ich sie auf
schlimme Weise mißverstanden , wenn ich auch nicht
wußte, inwiefern.
    »Die Pistole lag genau am
selben Fleck wie jetzt auf dem Boden«, sagte Polnik .
»Ich habe sie nicht berührt.«
    Es war eine 45er
Colt-Dienstpistole, und ich fragte mich, wie um alles auf der Welt Sally Kramer
sie zwischen die Finger bekommen hatte — obwohl ich das Gefühl hatte, daß in
diesem verdammten Haus Pistolen zusammen mit den Gästehandtüchern ausgelegt
wurden.
    »Na schön«, knurrte Lavers . »Hier haben wir alles gesehen, was zu sehen ist.
Wir wollen mit Kramer reden.«
    Kramer saß in einem Sessel in
der einen Ecke des Zimmers, ein Glas in der Hand und einen Ausdruck völliger
Verzweiflung in den Augen. Als wir ins Zimmer traten, versuchte er, höflich zu
lächeln, schaffte es aber nicht.
    »Ich belästige Sie nicht gern,
Mr. Kramer«, sagte Lavers in rauhem Ton, »aber wir haben einige Fragen zu stellen, das verstehen Sie doch? In
dieser Sache gibt es außer dem Tod Ihrer Frau vielleicht noch andere
Zusammenhänge.«
    »Natürlich.« Kramers Zähne
schlugen ein paar Sekunden lang aufeinander, und er nahm hastig einen Schluck
aus seinem Glas.

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