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Das falsche Urteil - Roman

Das falsche Urteil - Roman

Titel: Das falsche Urteil - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Zimmern zu tun hatte. Vielleicht hatte die grelle Nachmittagssonne, die schräg durch das schmutzige Fenster fiel, ihn verwirrt. Die gesamte Wand hinter dem Schreibtisch mit ihren Bücherregalen und Aktenschränken war in überreiches, blendendes Sonnenlicht getaucht. Der Staub wirbelte auf. Es war heiß wie in einem Backofen.
    Er öffnete das Fenster. Ließ das Rollo herunter und konnte den Frühling zumindest halbwegs aussperren. Als er sich umsah, konnte er feststellen, dass die Veränderungen durchaus nicht so durchgreifend waren, wie es ihm auf den ersten Blick erschienen war.
    Genau gerechnet handelte es sich um drei.
    Zum Ersten hatte jemand seinen Schreibtisch aufgeräumt. Hatte alle Papiere aufgestapelt, statt sie in Schmetterlingsform auszulegen. Eigentlich war das keine dumme Idee, das sah er sofort. Seltsam, dass ihm das noch nie aufgefallen war.
    Zweitens hatte jemand neben das Telefon eine Vase mit
gelben und lila Blumen gestellt. Man merkt doch, dass man eine überaus beliebte und geschätzte Person ist, dachte Van Veeteren. Hart aber gerecht unter der groben Schale.
    Drittens und zuletzt hatte er einen neuen Schreibtischsessel bekommen. Einen blaugrauen; er glaubte, diesen Farbton von einem Umhang her zu kennen, den Renate sich einmal während eines katastrophalen Urlaubs in Frankreich gekauft hatte. Provenzalischblau, wenn er sich richtig erinnerte, aber das spielte natürlich keine Rolle. Der Sessel hatte immerhin weiche Armlehnen, einen geschwungenen Rücken und eine Nackenstütze und erinnerte vage an die Sitze in den Abteilen erster Klasse in der Bahn in irgendeinem Nachbarland, er wusste nicht mehr, in welchem.
    Vorsichtig nahm er Platz. Der Sitz war so weich wie die Armlehnen. Die Rückenlehne war gefedert und unter dem Sitz gab es allerlei Rädchen und Hebel, mit deren Hilfe er alle möglichen Funktionen einstellen konnte – Sitztiefe, Beugung, Nackenwinkel, Federungskoeffizienten und noch vieles andere. Auf der Schreibunterlage vor ihm lag eine bunte Broschüre mit genauen Instruktionen in acht Sprachen.
    Du meine Güte, dachte Van Veeteren und begann vorsichtig, nach Anleitung der Broschüre an den Hebeln herumzuschalten. Hier werde ich gut schlafen können, während ich auf meine Pensionierung warte.
     
    Zwanzig Minuten später war er so weit und hatte sich gerade in die Überlegung vertieft, wie er sich auf einfachste und raschste Weise ein Bier besorgen könnte, als jemand vom Empfang anrief und Damenbesuch für ihn meldete.
    »Schickt sie rauf«, befahl Van Veeteren. »Ich hole sie am Fahrstuhl ab.«
    Es war ja immerhin Samstag und das Gebäude fast menschenleer. Er wollte lieber nicht den Fehler wiederholen, den Reinhart vor einigen Jahren begangen hatte, damals hatte sich ein möglicher Zinker mit schlechtem Orientierungssinn
auf einem Sofa im Dienstraum des Polizeichefs schlafen gelegt. Hiller hatte ihn selbst am frühen Montagmorgen gefunden und nicht einmal Reinharts vorsichtiger Hinweis auf die Tatsache, dass es durchaus möglich sei mit Hilfe eines so genannten Schlüssels Türen abzuschließen, hatte ihren Vorgesetzten milder stimmen können.
    »Sie heißen Elena Klimenska?«, fragte Van Veeteren, als die Frau im Besuchersessel Platz genommen hatte.
    Es handelte sich auf jeden Fall um eine ziemlich elegante Frau. Irgendwo zwischen fünfzig und fünfundfünfzig, mit dunkel gefärbten Haaren und markanten Zügen, diskret unterstützt von dezentem Make-up und einem exquisiten Parfüm. Soweit er das beurteilen konnte, wenigstens.
    »Ich bin Kommissar Van Veeteren«, eröffnete er das Gespräch. »Wie ich Ihnen schon erklärt habe, geht es um Ihre Aussage beim Prozess gegen Leopold Verhaven hier in Maardam im November 1981.«
    »Das ist mir bewusst«, sagte seine Besucherin und faltete über ihrer schwarzen Lackhandtasche die Hände.
    »Können Sie mir erzählen, worum es bei Ihrer Aussage damals ging?«
    »Ich... ich verstehe das nicht so richtig.«
    Sie zögerte. Van Veeteren zog einen Zahnstocher aus der Brusttasche und musterte ihn genau, während er vorsichtig die Rückwärtsfederung des Sessels ausprobierte.
    Nicht schlecht, dachte er. Das ist bestimmt der perfekte Verhörsessel.
    Obwohl das Opfer natürlich auf einem dreibeinigen Schemel sitzen müsste. Oder auf einer Mehlkiste.
    »Also?«, fragte er.
    »Meine Aussage? Ach, ich war doch einfach vorbeigekommen und hatte sie gesehen... hinter der Markthalle.«
    »Wen denn?«
    »Ihn und sie, natürlich. Verhaven und diese Frau,

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