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Das Feenorakel

Titel: Das Feenorakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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nicht notwendig. Du wusstest fast nichts über unsere Welt. Ich dachte, du würdest die Nerven verlieren, wenn ich dir noch mehr Informationen zumute. Und später ...», ein Lächeln stahl sich in seine Augenwinkel und ließ die harten Züge, die das Kerzenlicht zeichnete, weicher erscheinen.
    Alva sah auf seine küssenswerten Lippen und unwillkürlich beugte sie sich nach vorn, um nichts von dem zu verpassen, was er sagte. Ein Windzug ließ die Kerzen flackern und ein grausames Spiel des Lichts ließ sie glauben, die blutigen Reißzähne wiederzusehen. Erschrocken wich sie zurück.
    Julen sah auf, als wäre er geschlagen worden. Nichts in seinem Gesicht erinnerte dabei an das Raubtier, das sie zu sehen geglaubt hatte. Im Gegenteil, er wirkte erschöpft und resigniert. Nicht einmal in ihren intimsten Momenten hatte er ihr bisher einen tieferen Einblick gewährt.
    «Es ist unentschuldbar, dass ich die Nerven verloren habe. Aber ich war dermaßen wütend darüber, dass dieser Kerl auf dich geschossen hat ...», er zuckte mit den Schultern. «Dafür werde ich mich auch vor dem Rat rechtfertigen müssen.»
    «Du darfst niemanden beißen?» Um verstehen zu können, was geschehen war, musste sie mehr über ihn und seine dunkle Natur wissen.
    Womöglich las er ihre Gedanken, vielleicht waren sie aber auch nur wieder einmal so in ihr Gesicht geschrieben, dass auch jeder andere gewusst hätte, was sie dachte. Jedenfalls blickte Julen weniger finster, als ihm klar wurde, dass sie seine Erklärung tatsächlich anhören wollte.
    «Es ist eine Erfindung der Menschen, dass wir mordend durch die Nächte ziehen und dabei ein Opfer nach dem anderen bis zum letzten Blutstropfen aussaugen. Außer in Ausnahmesituationen reichen uns wenige Schlucke. Wir sind keine Mörder!» Er wirkte müde, als er hinzufügte: «Zu meinen Aufgaben als Vengador gehört es, im Namen des Magischen Rats diejenigen zu bestrafen, die gegen die Regeln verstoßen.»
    «Oh!», sagte sie in sein Schweigen hinein, um Zeit zu gewinnen. Das klang nicht gerade nach einer Justiz, wie man sie in demokratischen Gesellschaften anzutreffen hoffte. Doch das überraschte sie nicht. Der Rat, von dem ihr Nienibit bereits erzählt hatte, stand in dem Ruf, gnadenlos zu sein und schnell zu handeln. Aber sie verstand, dass man den Vampiren nicht erlauben durfte, reihenweise Menschen leer zu trinken. Nicht nur aus moralischen Gründen. Fielen diese Morde erst einmal auf, würde es nicht lange dauern, bis jemand die Existenz von Vampiren, oder Dunkelelfen , aufdeckte und dann war es kein weiter Weg mehr, bis auch die Lichtelfen nicht mehr im Geheimen leben konnten. Keine verlockende Aussicht.
    Diese Überlegungen halfen ihr leider wenig dabei, eine Entscheidung zu treffen, wie mit der neuen Situation umzugehen war. Zeit würde sie brauchen, so viel war sicher, und die wollte sie sich auch nehmen, um die vielen Fragen beantwortet zu bekommen, die sich ihr stellten. Eine davon wollte sie jedoch sofort geklärt haben: «Hast du ihn umgebracht?» Von seiner Antwort hing viel ab. Hätte er den Mann getötet, würde dies womöglich auch Julens Todesurteil bedeuten oder zumindest eine sehr harte Strafe.
    «Er wird es überleben.»
    Mitgefühl war nicht zu hören. Aber das hat er eigentlich auch nicht verdient.
    «Bestimmt nicht! Er wird seine Strafe bekommen, verlass dich drauf. Aber darum geht es nicht. Ohne dich ... ich bin nicht sicher, ob ich rechtzeitig aufgehört hätte.»
    «Das ist ja reizend. Da schießt jemand auf mich und verdankt mir, gewissermaßen als Belohnung, sein Leben? Ich hätte nicht übel Lust, ihn selbst umzubringen.»
    Julen beugte sich vor und griff nach ihrer Hand. Dabei betrachtete er genau ihr Gesicht. Als sie den sanften Druck seiner Finger erwiderte, anstatt sie ihm zu entziehen, lächelte er schwach. «Wir werden sehen, ob ich dir deinen Wunsch erfüllen kann.»
    Überrascht begriff Alva, dass er keinerlei moralische Bedenken hatte, den Attentäter zu töten. Im Gegenteil, er schien es für sein gutes Recht zu halten. Allein der Kontrollverlust, den er in seiner Rage erlitten hatte, machte ihm zu schaffen. Beängstigender war jedoch die Erkenntnis, dass sie seine Kaltblütigkeit teilte.
    Vergebung ist nur etwas für Menschen , hörte sie Nienibits Stimme aus der Ferne ihrer Erinnerung. Wir leben nach anderen Gesetzen.
    Dies war allerdings ein Thema, über das sie im Moment nicht nachdenken mochte. Blieb die Frage, warum ein vollkommen Fremder versucht hatte,

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