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Das Feenorakel

Titel: Das Feenorakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Mund, Weib!» Seine Stimme klang ungewohnt scharf.
    Die Wut der Hexe verwandelte sich in Angst. Für eine so alte Frau sprang sie erstaunlich schnell auf, fauchte etwas Unverständliches, das wie djow-agn klang, und verschwand im hinteren Teil ihres Zeltes.
    Widerstandslos ließ Alva sich von Julen fortziehen.
    «Was war das denn?» Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme leicht zitterte.
    «Mach dir nichts draus, in dieser Umgebung findet man immer ein paar Irre wie diese.» Wie um seine Worte zu bekräftigen, humpelte ihnen ein in Lumpen gehüllter Bettler entgegen, der furchtbar stank, die Leute anrempelte und Geld verlangte. Die meisten lachten und erkannten ihn zweifellos als einen der Darsteller der Gauklertruppe, die etwas entfernt ein Theaterstück aufführte. Alva lief es trotzdem kalt den Rücken herunter. Die Schwären auf der Haut des Alten sahen erschreckend echt aus. Sie rückte dichter an Julen, bis ein prächtiges Zelt ihr Interesse weckte. Auf den Tischen glitzerten und glänzten Schmuckstücke verschiedenster Art. Wie eine Elster fühlte sie sich besonders vom sanften Glanz des Silbers angezogen und probierte begeistert handgearbeitete Armreifen und Ringe.
    Julen stand währenddessen so dicht hinter ihr, dass sie seine Wärme spüren konnte.
    Als sie sich umsah, hatte er die Hände in den Taschen vergraben und beobachtete jede ihrer Bewegungen. Offensichtlich amüsierte er sich über ihre Begeisterung. Aber immer schien er auch einen Blick für seine Umgebung zu haben. Der perfekte Bodyguard.
    Sie betrachtete den Ring, den der Silberschmied ihr aus einer verschließbaren Vitrine herausgeholt hatte. «Ein Unikat», erklärte der Mann freundlich. «Ich stelle nie ein zweites Stück her.»
    Der breite Reif war ein wunderbares Beispiel höchster keltischer Handwerkskunst und sicherlich unbezahlbar. Dennoch gab sie ihrem Verlangen nach. «Darf ich ihn anprobieren?» Sie musste ihn einfach tragen, wenigstens kurz. Es war fast wie ein Zwang.
    Er sah Alva zum ersten Mal wirklich an. «Bist du sicher?» Seine Augen waren wie aus geschmolzenem Silber, und sie spürte, wie er versuchte, sie in seinen Bann zu ziehen.
    «Es ist genug!»
    Der Kopf des Verkäufers flog hoch und er starrte Julen an, als sei dieser aus dem Nichts aufgetaucht. Nach dem ersten Schrecken breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus, in seiner Haltung glaubte Alva jedoch auch eine gewisse Wachsamkeit lesen zu können. Sie hatte keine Ahnung warum, aber sie wusste einfach, dass er sich niemals auf einen Streit mit Julen eingelassen hätte, und sie genoss es, einen allseits respektierten, wenn nicht gar gefürchteten Beschützer an ihrer Seite zu haben.
    Gespannt beobachtete sie ihn nun dabei, wie er den Ring mit ausdrucksloser Miene aus der Hand des Händlers nahm, der sich dies auch widerstandslos gefallen ließ. Genau in diesem Moment ertönte ein Schrei hinter ihr. Erschrocken sah sie sich um. Zwei Männer waren in Streit geraten und traktierten sich mit Faustschlägen. Rasch bildete sich eine Zuschauermenge, die die Kampfhähne anfeuerte.
    «Komm, lass uns von hier verschwinden!», raunte ihr Julen ins Ohr, und in seiner Stimme lag ein Versprechen, das sie alles andere vergessen ließ.
    «Eine gute Idee.» Darauf habe ich den ganzen Abend gewartet. Mit einem koketten Zwinkern folgte sie Julen, der versuchte, sie so schnell wie möglich aus dem größten Gedränge herauszuführen.
    Und dann knallte ein Schuss. Alvas Ohren schmerzten. Sie reagierte äußerst empfindlich auf laute Geräusche. Undeutlich hörte sie ein wildes Tier fauchen. Leicht benommen sah sie sich um. Vergeblich. Wenn der Schuss einem entflohenen Raubtier gegolten hatte, was zwar absurd klang, dieses unheilvolle Fauchen jedoch erklären würde, dann war das Biest jedenfalls vertrieben worden. Julen, der eben noch neben ihr gestanden hatte, war allerdings ebenfalls verschwunden. Ein zweiter Schuss, etwas weiter entfernt, ließ sie erstarren. Doch nicht lange, denn jetzt brach eine Panik aus. Die Menschen schrien durcheinander, drängten sie voran, eine Frau stürzte, andere fielen über sie, Hände reckten sich, um ihnen aufzuhelfen. Jemand griff nach Alvas Arm und zerrte sie aus dem Chaos heraus, bis sie hinter einem Mauervorsprung Schutz gefunden hatten.
    Sie wollte um sich schlagen, aber erkannte in letzter Sekunde ihren Retter. «Erik! Du schon wieder?» Sie hätte ihn gern gefragt, seit wann er ihr Schutzengel war, aber sie musste nach Julen suchen.

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