Das Feenorakel
fast als wären ihr Julens Ideen nicht vollkommen fremd.
«Denk mal drüber nach. Um es mit Shakespeare zu sagen ...»
«Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde ... Ja, ja! Davon habe ich schon gehört.» Sie lachte und vertrieb damit die dunklen Schatten, die sich um sie beide herum gebildet hatten.
Und wieder berührte ihn das Echo ihrer Stimme auf einer Ebene, die seit sehr vielen Jahrzehnten niemand mehr erreicht hatte. Es wurde Zeit für ihn zu gehen. Julen griff nach ihrer Hand. «Ich würde dich gern wiedersehen.»
Wie ein Chamäleon zeigte sie eine neue Stimmung. «Es wird dir nichts anderes übrig bleiben, sofern du die Wahrheit gesagt hast. Schließlich ist es dein Job, in meiner Nähe zu bleiben.»
«Ich könnte jemand anderen schicken», sagte er mit erstickter Stimme.
«Nein!» Ihr Erschrecken war für ihn ein großes Glück. «Ich meine, du bist der Einzige, mit dem ich über diese Dinge reden kann.» Und der mich zu verstehen scheint! «Ich würde dich gerne wiedersehen, nur vielleicht nicht unbedingt im Baumwipfel vor meinem Fenster.»
Wie gerne hätte er sie geküsst, von ihren vollen Lippen getrunken und sich im Taumel der fremdartigen Emotionen verloren. Aber sein Schicksal wollte es, wieder einmal, anders. Draußen waren Schritte zu hören, dann eine Stimme: «Alva, ich muss mit dir reden!»
Tom! formten ihre Lippen lautlos. Mit der Hand bedeutete sie Julen, sich auf dem Balkon zu verstecken, dann drehte sie sich um. «Ich will gerade ins Bett gehen. Hat das nicht bis morgen Zeit?» Die Türklinke senkte sich und sie machte einen Sprung nach vorn, während Julen lautlos hinter der Gardine verschwand. Bevor Tom hereinkommen konnte, war sie schon an der Tür und stellte sich auf eine Weise hin, dass er glauben musste, sie wollte nicht öffnen, weil sie bereits im Nachthemd war. «Was willst du?»
Er versuchte, die Tür weiter aufzudrücken, doch Alva stemmte sich dagegen.
Tom war bleich wie ein Geist. «Hör mich wenigstens an ...», flehte er.
«Du wolltest mich schlagen.»
Einen Moment lang war Stille, dann hört Julen Tom sagen: «Unfug. Wie kommst du denn darauf? Ich gebe ja zu, dass ich im Übungsraum etwas ungerecht war. Das tut mir auch leid, du singst toll. Im Grunde bist du aber selbst schuld. Die Rolle der Leadsängerin ist einfach eine Nummer zu groß für dich, ganz gleich, was Stefan sagt.»
«Chris und Stefan wollen mich dabeihaben. Lass mich in Frieden, ich bin todmüde.»
«Bildest du dir wirklich ein, dass du das schaffst?»
«Vielleicht solltest du mal überlegen, dass deine Beleidigungen nicht sehr konstruktiv sind. Und jetzt nimm den Fuß da weg!»
Gleich darauf hörte er, wie die Tür mit Nachdruck geschlossen wurde. Die Sonne schickte bereits ihre ersten Strahlen, die Julen bis ins Mark trafen. Es war Zeit für ihn, zu gehen.
Ein wenig machte er sich schon Vorwürfe, aber das kam wohl zu spät, denn sein Eingreifen in den kleinen Streit, den sie mit Tom gehabt hatte, war möglicherweise zu voreilig gewesen. Immerhin, Tom würde sich nicht an ihn erinnern, dafür hatte er Sorge getragen.
Und mal ehrlich: Was ging es ihn an, mit wem sie sich herumtrieb? Hätte ihr von einem Sterblichen Gefahr gedroht, wäre es sicherlich nicht notwendig gewesen, einen Vengador einzuschalten.
Und wenn ihre eigenen Leute Alva schaden wollten? , fragte die ständig kritische Stimme in seinem Kopf.
Kieran weiß, was er tut , hielt Julen ihr entgegen und nutzte die letzten Schatten, um in seinen Unterschlupf zurückzukehren. Während er den kurzen Weg durch die Zwischenwelt einschlug, dämmerte es ihm, dass er im Begriff war, sein Herz zu verlieren. Ungeachtet der Ausreden, die er für sich erfand.
Alva lehnte sich einen Augenblick erleichtert an die Wand. Den bin ich erst mal los! Dann erinnerte sie sich an Julen, der noch immer auf ihrem Balkon stand. Sie schob die Gardinen beiseite und sah hinaus. «Du kannst jetzt wieder reinkommen.» Doch nichts rührte sich. Irritiert sah sie sich in ihrem Zimmer um und ging sogar so weit, im Schrank nach ihm zu suchen, doch Julen blieb verschwunden. Er hatte doch eben noch auf diesem Stuhl gesessen und Wein getrunken. Sie kehrte zum Tisch zurück und ihr blieb fast das Herz stehen, als sie nur ihr eigenes Glas darauf erblickte. Ich werde verrückt! Sie war fast versucht, zu Tom hinüberzugehen und ihn zu fragen, ob er Julen gesehen hatte. Aber erstens hätte das merkwürdig ausgesehen, nachdem sie ihn gerade rausgeworfen hatte, und
Weitere Kostenlose Bücher