Das Feenorakel
sie sich dagegen verwahren konnte, schob sich Julen vor Alva, als müsse er sie schützen, und antwortete in einer fremden Sprache, die sich wie Schwedisch oder Norwegisch anhörte, aber gleichzeitig einen merkwürdig altertümlichen Eindruck machte. Florentine antwortete hitzig, und es dauerte nicht lange, da klang die Unterhaltung, als stritten sie über irgendetwas.
Alva wandte sich ab. Nur um irgendetwas zu tun, sah sie auf den Monitor, der eine menschenleere Bühne zeigte. Dunkel gekleidete Männer tauchten auf und verschoben lautlos Kulissenteile. Den Ton schien inzwischen jemand abgeschaltet zu haben und kurz darauf verschwand auch das Bild. Sie fühlte sich ziemlich unwohl in ihrer Haut und überflüssig, wie ein kleines Kind, über dessen Kopf hinweg die Erwachsenen über Dinge sprachen, die es nicht verstand.
«Also gut. Alva, nicht wahr?» Florentine hatte ein dunkles Timbre in ihrer Stimme, das Alva wider Willen zu ihr sehen ließ.
Darf ich jetzt wieder mitspielen? , dachte sie ärgerlich.
Du willst doch Antworten. Stiehl mir nicht die Zeit!
Alva zuckte zusammen. «Entschuldigung. Ich weiß nicht, wer Sie sind und warum Julen mich hierher geschleppt hat.»
«Dann ist ja alles klar. Einen schönen Abend wünsche ich euch noch.» Die Sängerin ließ sich auf einen Stuhl vor dem Spiegel fallen und zog Haarnadeln aus ihrer Frisur. «Schick Liliana zu mir!», sagte sie, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Sie waren entlassen. Julen mochte den kühlen Ton ignorieren, hätten seine Hände nicht auf ihren Schultern gelegen, wäre Alva allerdings sofort verschwunden. Er verhinderte, dass sie sich ihm entwand, und schob sie vorwärts, bis Alva genau hinter dem Stuhl der Diva stand. «Erzähl ihr von deinem Auftritt.»
«Das hat doch keinen Sinn. Wir stören hier nur.»
«Erzähl es ihr!»
Der Druck auf ihren Schultern verstärkte sich. «Also gut ...» Anfangs stockend, aber im Laufe der Erzählung immer flüssiger berichtete sie von ihren beängstigenden Erfahrungen auf der Bühne. «Aber warum erzähle ich Ihnen das überhaupt? Sie haben diese Probleme ja ganz offensichtlich nicht.»
Die Sängerin hatte sie nicht ein einziges Mal unterbrochen. Nun stand sie auf und reicht ihr die Hand. «Ich bin Florentine Cattaneo. Florentine für dich. Ich denke, ich kann dir helfen. Aber erst einmal sag mir: Wer sind deine Eltern?»
Die Frage erschien ihr eigenartig. Doch Alva gab bereitwillig Auskunft.
«Dann kennst du also weder Vater noch Mutter.» Ein Flackern in Florentines Augen verriet, dass sie dies nicht kalt ließ.
«Biologisch gesehen mag das richtig sein, aber meine leiblichen Eltern interessieren mich nicht. Sie wollten mich nicht, jetzt will ich mit ihnen nichts zu tun haben!»
«Ich fürchte, das wird sich früher oder später nicht vermeiden lassen. Aber eins nach dem anderen.»
Diese Worte klangen wie eine Drohung, die ihr die Haare zu Berge stehen ließen. Doch das melodiöse Lachen aus Florentines Kehle beruhigte sie sofort wieder und nahm Alva auf eigentümliche Weise für sie ein. Verwirrt schwieg sie und fragte sich, was Julen dieser Frau wohl von ihr erzählt haben mochte.
Florentine sah auf die Uhr, die über dem großen Spiegel hing. «Um Himmels willen, so spät! Julen, hol Liliana.» Sie öffnete ein kleines Samttäschchen und nahm eine Visitenkarte heraus, die sie ihm in die Hand drückte. «Das ist mein Hotel, es wird euch gefallen. Ich muss noch zu einer wichtigen Verabredung.» Sie zwinkerte ihm zu. «Wir sehen uns später.»
«Danke.» Julen nahm Alva an der Hand und gemeinsam verließen sie die Garderobe. Ungeduldig drängte Liliana sich vor der Tür an ihnen vorbei.
Vor dem Opernhaus standen die Besucher in eleganter Abendkleidung. Ein Hauch von Benzin und Asphalt, den die Sonne viele Stunden erwärmt hatte, lag in der Luft und vermischte sich mit teuren Parfums, Zigarettenrauch und dem schweren Duft der Blumenrabatten, die rings um das prachtvolle Gebäude angelegt waren. Niemand schien Lust zu haben, nach Hause zu gehen; es herrschte eine eigenartige Stimmung, die Alva an Urlaubsreisen in südliche Länder erinnerte, wo die Abende der Einheimischen oft erst nach Mitternacht begannen, wenn die Hitze des Tages erträglich geworden war. Die Herren in Smokings standen am Straßenrand und versuchten Taxis anzuhalten. Doch fast alle Wagen waren besetzt und rasten mit ihren Passagieren achtlos vorbei. Es war ein geschäftiger Samstagabend.
Skeptisch beobachtete Alva, wie Julen
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