Das Feenorakel
ebenfalls den Arm hob, um eines der Taxis zum Anhalten zu bewegen. «Ist es sehr weit? Vielleicht sollten wir lieber zu Fuß gehen.» Ihre Füße meldeten allerdings andere Wünsche an. Die Schuhe mochten für einen Auftritt noch in Ordnung sein, für Spaziergänge über holpriges Kopfsteinpflaster waren sie ganz bestimmt nicht geeignet.
«Pass gut auf, es geht ganz einfach!» Er warf ihr einen dieser verschmitzten Blicke zu, die ihr Herz regelmäßig zum Schmelzen brachten, dann steckte er zwei Finger in den Mund und pfiff.
Sofort wechselte ein Taxi quer über alle Fahrspuren und hielt mit quietschenden Reifen genau vor ihnen an. Julen öffnete die Tür für sie und stieg gleich darauf von der anderen Seite ein.
Erboste Kommentare folgten ihnen, die jedoch in der Ferne verhallten, als der Fahrer losfuhr.
«Was bist du? Der Rattenfänger von Hameln?»
Julen lachte nur.
Wie sie befürchtet hatte, war das Hotel außerordentlich elegant und wahrscheinlich unglaublich teuer. Natürlich stieg eine Diva wie Florentine nur in den besten Häusern ab. Alva fühlte sich vollkommen fehl am Platz, und Julen, der heute ebenfalls von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet war und obendrein noch diese abgetragene Lederhose trug, die sein Hinterteil aufs Beste zur Geltung brächte, sobald er den bodenlangen Staubmantel ausziehen würde, sah auch nicht gerade wie der typische Stammgast aus. Ihr mochte der Anblick weiche Knie bescheren, von einem Hotelportier war dies nicht zu erwarten. Sie rechnete es dem Mann deshalb doppelt an, dass er keine Miene verzog, als er ihnen die Eingangstür aufhielt.
Überrascht folgte sie Julen zur Rezeption; sie hatte geglaubt, sie würden in der Bar des Hotels auf Florentine warten. Leise Klaviermusik schwebte zu ihnen herüber und Alva bekam eine unerklärliche Lust auf Erdnüsse und anderes Knabberzeug. Doch Julen schien andere Pläne zu haben. Zumindest vermutete sie dies, obwohl sie kein Wort von dem Gespräch verstehen konnte, das er leise mit einem der Rezeptionisten führte. Einmal sah der Mann sie prüfend an, und Alva hatte das Gefühl, von Kopf bis Fuß genauestens taxiert zu werden.
Obwohl Julen ansonsten keinen Hehl daraus machte, jeden spüren zu lassen, dass allzu großes Interesse an seiner Begleiterin unerwünscht war, schien er das befremdliche Verhalten dieses Mannes vollkommen normal zu finden.
Alva fand hier überhaupt nichts normal. Schon gar nicht die tiefe Verbeugung des Hotelpagen, der sie mit höflicher Stimme aufforderte, ihm zu folgen. Julens plötzliche Rückkehr ließ sie zusammenzucken. Kaum spürte sie jedoch die federleichte Berührung an ihrer Taille, mit der er einen vermeintlichen Anspruch auf den Platz an ihrer Seite wenig subtil bekräftigte, entspannte sie sich erstaunlicherweise. Mit der Emanzipation , dachte sie amüsiert, ist es bei mir offensichtlich nicht weit her. In diesem Augenblick trat eine elegant gekleidete Frau aus dem Aufzug und zwinkerte ihr aufmunternd zu, als wüsste sie genau, was Alva gerade gedacht hatte. Sie bemühte sich um Schadensbegrenzung, indem sie schnell die Schultern ein wenig höher hob und ihre Körperhaltung korrigierte. Sogar ein Lächeln gelang ihr, als die Frau an ihnen vorbeiging. Hinter sich hörte sie ein amüsiertes Lachen.
Julen schien von alldem nichts zu bemerken. Gemeinsam traten sie in den Aufzug, der merkwürdigerweise nach unten fuhr, nachdem sich die Türen geschlossen hatten. Da der Page aber direkt vor der Anzeigetafel stand, konnte sie die Zahlen nicht genau erkennen. Wahrscheinlich hatte sie sich geirrt. Julens Nähe reichte inzwischen offenbar aus, um sie oben und unten verwechseln zu lassen.
Alva folgte dem livrierten Hotelangestellten aus dem Aufzug, Julen blieb dicht hinter ihr. Seitdem sie das Hotel betreten hatten, wirkte er wie ausgetauscht. Seine Miene war kühl, nahezu arrogant und er strahlte eine Energie aus, die Alva verunsicherte, die andere erstaunlicherweise jedoch dazu brachte, sie beide mit höchstem Respekt zu behandeln. Dabei hatten sie ja noch nicht einmal Gepäck dabei und sahen im besten Fall wie ein heruntergekommenes Rockstarpärchen aus.
Die ungewohnt hohen Absätze verhalfen ihr zu einem Gang, der die Blicke der Männer auf sich zog. Dafür nahm sie die schmerzenden Füße in Kauf. Ihre Frisur hatte weniger unter dem Auftritt gelitten, als sie befürchtet hatte. An den Armen trug sie silbernen Schmuck, der bei jeder Bewegung leise klirrte, und das ärmellose Designerkleid, für
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