Das Feenorakel
einen Cousin, der seine Abstammung für derartig fürchterlich zu halten schien, dass er nicht darüber sprechen wollte. Er war das Dunkel zu ihrem Licht? Na, prima! Etwas weniger Licht konnte sie in manchen Nächten ganz gut gebrauchen. Ihre weißen Träume , davon war sie inzwischen überzeugt, hatten etwas mit der Bedrohung zu tun, vor der Julen sie beschützen sollte. Doch als sie ihn danach fragte, reagierte er verschlossen. Vielleicht wollte er sie einfach nur nicht beunruhigen.
Eines aber musste sie unbedingt wissen. «Wenn die Gefahr irgendwann vorüber sein sollte, gehst du dann fort?»
«Möchtest du das?»
«Du weißt ganz genau, dass ich es nicht will. Bitte Julen, sag mir, dass du mich nicht verlässt.»
Der Satz war noch nicht ganz ausgesprochen, da hatte er sie schon in seine Arme gezogen. «Ich bleibe, solange du mich behalten willst. Das verspreche ich dir!»
Julen verriet ihr nichts von seiner größten Furcht. Sie war nicht einfach nur eine Feentochter, die es sich letzten Endes aussuchen konnte, in welcher Welt sie leben wollte. Wenn die Vermutung seiner Mutter stimmte, und alles lief bisher darauf hinaus, dann war sie möglicherweise eine wichtige Figur im Intrigenspiel des Feenhofes und würde wenig Mitspracherecht haben, wenn es um ihre Zukunft ging. Der Gedanke daran, sie für immer zu verlieren, bohrte sich wie ein glühendes Messer in seine Brust. «Ich bleibe bei dir, was immer auch geschieht!», flüsterte er und küsste sie mit einer Hingabe, als hielte er ihr Schicksal bereits für besiegelt.
Kapitel 13
Am Abend wartete eine neue Überraschung auf Alva. Julen hatte sie nach ihrem Lieblingsessen gefragt und sie in ein exzellentes indisches Restaurant geführt. Obwohl es gut besucht war, bekamen sie einen Tisch mit Blick auf eine der Hauptgrachten, und sie vermutete, dass dies Julens bemerkenswerter Fähigkeit zu verdanken war, seine Wünsche irgendwie immer erfüllt zu bekommen. Attraktive Männer haben es eben leichter im Leben , dachte sie und fand es müßig darüber nachzudenken, ob sich dies mit ihrem Gerechtigkeitssinn vereinbaren ließ oder nicht. Es gab Dinge, die konnte man nicht ändern, und immerhin profitierte sie in diesem Fall sogar davon.
Es schien ihn nicht zu betrüben, dass sie aß, während er sich mit einem Glas Wein begnügen musste. Im Gegenteil, er sah ihr interessiert zu.
«Ich hätte nicht gedacht, dass du ein Foodvoyeur bist», neckte sie ihn.
«Stört es dich? Ich könnte auch aus dem Fenster sehen.» Er zeigte auf die Straße, wo in diesem Augenblick eine Gruppe junger Frauen vorbeischlenderte.
Alva verzog das Gesicht. «Nicht nötig. Ich stelle mir nur vor, dass es langweilig sein muss, dort nur mit einem Getränk zu sitzen, während ich diese Köstlichkeiten genieße.»
Er beugte sich über den Tisch und tupfte ihr mit seiner Serviette etwas Soße aus dem Mundwinkel. «Solange ich dir zusehen kann, wird mir nichts langweilig.»
«Kein Wunder, ich esse ja offenbar wie ein Schwein.»
«So habe ich das nicht gemeint ...»
Lächelnd hielt sie die Hand fest, die er gerade zurückziehen wollte, nahm das gestärkte Tuch, legte es beiseite und küsste seine Fingerspitzen. «Ich finde, es ist an der Zeit, ein bisschen mehr über dich zu erzählen.»
Der plötzliche Themenwechsel brachte ihn leicht aus der Fassung, aber sie hatte ja recht, seit Tagen stand die Frage im Raum, wer oder was er wirklich war. «Da gibt es nicht viel ...»
«Ein Dunkelelf kann wirklich nicht ins Tageslicht gehen?», unterbrach sie ihn.
«Wie kommst du darauf?» Er hatte gehofft, die Frage nach den Beschränkungen, die ihm seine wahre Natur auferlegte, würde nach all den anderen Offenbarungen nicht so schnell aufkommen, aber sie besaß eine gute Beobachtungsgabe und früher oder später war mit dieser Frage zu rechnen gewesen.
Seit die Menschen neuerdings wieder ganz verrückt nach Vampiren waren, zumindest nach den blassen Gestalten, die über ihre Kinoleinwände und durch zahllose Bücher geisterten, zeigten sie sich aufgeschlossener, wenn es darum ging, die Tatsache zu akzeptieren, dass sie vielleicht doch nicht die Krone der Schöpfung waren. Eine romantische Sehnsucht schien vor allem die sterblichen Frauen anzutreiben. Es machte sie zu willigen Opfern, und in letzter Zeit häuften sich Zwischenfälle, die unweigerlich dazu führten, dass Vengadore allzu leichtsinnige Vampire in ihre Schranken weisen mussten.
Besonders die geschaffenen Vampire nahmen es mit den
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