Das fehlende Glied in der Kette
geworden, dass er kein gewöhnlicher Ausländer ist, und ganz gewiss ist er ein sehr höflicher Herr.»
Gute alte Dorcas! Als sie so dastand und ich in ihr ehrliches Gesicht sah, wurde mir bewusst, dass sie ein Prachtexemplar dieser altmodischen Dienstboten war, die man heutzutage leider kaum noch findet.
Mir fiel ein, dass ich genauso gut auch gleich ins Dorf gehen und Poirot besuchen konnte, aber ich begegnete ihm auf halbem Weg, da er gerade nach Styles wollte, und übermittelte ihm gleich Dorcas’ Botschaft.
«Ach, die brave Dorcas! Wir werden uns diese Truhe mal ansehen, obwohl – na, egal – wir werden sie uns trotzdem anschauen.»
Wir betraten das Haus durch eine der Terrassentüren. Da niemand in der Halle war, gingen wir gleich auf den Dachboden hinauf.
Und richtig, da stand die Truhe, ein schönes, altes, mit Messingnägeln beschlagenes Möbelstück, bis zum Rand mit allen nur vorstellbaren Kleidungsstücken gefüllt.
Poirot griff ohne Umstände hinein und holte eins nach dem anderen heraus. Es gab ein paar Gewänder in verschiedenen Grüntönen, aber Poirot schüttelte jedes Mal den Kopf. Anscheinend maß er der Suche keine besondere Bedeutung bei, als ob er sich davon nichts Besonderes versprechen würde, doch plötzlich stieß er einen Ausruf des Erstaunens aus.
«Was ist denn?»
«Da!»
Die Truhe war fast leer und dort, auf ihrem Boden, lag ein prächtiger schwarzer Bart.
«Oho!», sagte Poirot. «Oho!» Er nahm ihn in die Hände und betrachtete ihn aus nächster Nähe.
«Neu», bemerkte er. «Ja, der ist ganz neu.»
Er zögerte kurz, doch dann legte er ihn in die Truhe zurück und häufte alle andern Sachen wieder darüber. Danach ging er rasch nach unten, direkt zum Anrichteraum, wo Dorcas das Silber polierte.
Poirot wünschte ihr mit gallischer Höflichkeit guten Morgen und sagte dann: «Wir haben den Inhalt der Truhe untersucht. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie uns davon erzählt haben. Da haben Sie ja wirklich ein schönes Sammelsurium an Kostümen. Darf ich fragen, ob die oft benutzt werden?»
«Nein, Sir, jetzt nicht mehr sehr oft. Ab und zu veranstalten die jungen Herren etwas, was sie ein Kostümfest nennen. Und da geht es manchmal wirklich sehr lustig zu, Sir. Mr. Lawrence ist wundervoll! Sehr witzig. Ich werde nie den Abend vergessen, wo er als Schah von Persien ankam – jedenfalls hat er sich so genannt, irgend so ein orientalischer König. Er hatte einen großen Brieföffner in der Hand und sagte: ‹Gib nur Acht, Dorcas, du musst jetzt sehr respektvoll sein. Das hier ist mein scharf geschliffener Simitar, und wenn ich mit dir unzufrieden bin, wirst du einen Kopf kürzer gemacht!› Miss Cynthia hatte sich als Gangster verkleidet, die sah vielleicht aus! Sie hätten nie gedacht, dass eine hübsche junge Dame sich in einen solchen Strolch verwandeln könnte. Sie war überhaupt nicht wieder zu erkennen.»
«Diese Abende müssen großen Spaß gemacht haben», sagte Poirot freundlich. «Wahrscheinlich trug Mr. Lawrence als Schah von Persien diesen schönen schwarzen Bart aus der Truhe oben, ja?»
«Er trug einen Bart, Sir.» Dorcas lächelte. «Und den kenne ich nur zu gut, denn er borgte sich zwei Knäuel schwarze Wolle von mir, um ihn sich zu basteln. Aus der Entfernung sah er auch sehr natürlich aus. Ich wusste gar nicht, dass da oben auf dem Boden ein Bart ist. Der muss aber dann erst kürzlich dazugekommen sein, denke ich. Es gab mal eine rote Perücke, aber sonst war da nichts an Haarkram. Meistens malten sie sich ihre Schnurrbärte mit rußigen Korken an – aber das ließ sich hinterher immer so schwer abwaschen. Einmal war Miss Cynthia eine Negerin – da war das Abschminken vielleicht schwierig!»
Als wir dann wieder in die Halle gingen, sagte Poirot nachdenklich: «Dorcas weiß also gar nichts von einem schwarzen Bart.»
«Glauben Sie, es war der?», fragte ich eifrig.
Poirot nickte. «Ja. Haben Sie bemerkt, dass er gestutzt worden war?»
«Nein.»
«Doch. Er war genau so gestutzt wie der von Mr. Inglethorp und ich fand auch ein paar abgeschnittene Haare. Hastings, diese Geschichte ist höchst verzwickt.»
«Ich frage mich nur, wer ihn in die Truhe gelegt hat.»
«Jemand mit einer gehörigen Portion Intelligenz», bemerkte Poirot trocken. «Ihnen ist doch klar, dass er sich im ganzen Haus genau das Versteck ausgesucht hat, wo der Bart nicht auffallen würde? Ja, sehr intelligent. Aber wir müssen eben noch intelligenter sein. Wir müssen so intelligent
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