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Das fehlende Glied in der Kette

Das fehlende Glied in der Kette

Titel: Das fehlende Glied in der Kette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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bedient sich schon lange dieser Methode, damit kann man in kürzester Zeit ein Foto von Fingerabdrücken auf jedem Gegenstand erhalten. Mein Freund, Sie haben die Fingerabdrücke gesehen – jetzt muss ich Ihnen nur noch verraten, auf welchem besonderen Gegenstand ich sie gefunden habe.»
    «Nun sagen Sie’s schon – ich bin schrecklich neugierig.»
    «Eh bien! Foto Nummer drei zeigt die stark vergrößerte Oberfläche einer winzigen Flasche auf dem obersten Bord im Giftschrank in der Apotheke des Roten-Kreuz-Krankenhauses in Tadminster – das klingt wie in einer Suchanleitung.»
    «Du lieber Himmel!», rief ich aus. «Aber wie kommen die Fingerabdrücke von Lawrence Cavendish dorthin? An dem Tag, als wir beide dort waren, kam er nie auch nur in die Nähe des Giftschranks.»
    «Aber ja!»
    «Unmöglich! Wir waren die ganze Zeit zusammen!»
    Poirot schüttelte den Kopf. «Nein, mein Freund, es gab einen Moment, da waren Sie nicht alle zusammen. Es gab einen Moment, da konnten Sie gar nicht alle zusammen sein, oder Sie hätten Monsieur Lawrence nicht auch auf den Balkon rufen müssen.»
    «Das hatte ich vergessen», gab ich zu. «Aber das war doch nur eine Sekunde!»
    «Lange genug.»
    «Lang genug wofür?»
    Poirots Lächeln wurde immer rätselhafter. «Lang genug für jemanden, der einmal Medizin studiert hat, um ein sehr natürliches Interesse und seine Neugier zu befriedigen.»
    Unsere Blicke trafen sich. Poirot sah mich freundlich unbestimmt an. Er stand auf und summte eine kleine Melodie. Misstrauisch beobachtete ich ihn.
    «Poirot, was war in diesem besonderen Fläschchen?»
    Poirot sah aus dem Fenster.
    «Eine Chlorsäure-Strychnin-Mischung», sagte er dann und summte weiter.
    «Gütiger Himmel!», sagte ich leise. Ich war nicht überrascht. Ich hatte diese Antwort erwartet.
    «Sie verwenden reines Chlorsäure-Strychnin sehr selten – nur manchmal für Tabletten. Sie benutzen häufiger die übliche Lösung. Deshalb blieben auch die Fingerabdrücke so lange erhalten.»
    «Wie haben Sie das fotografieren können?»
    «Ich ließ meinen Hut vom Balkon fallen», erklärte Poirot schlicht. «Besucher waren zu dem Zeitpunkt unten nicht erlaubt, deshalb musste trotz meiner vielen Entschuldigungen die Kollegin von Mademoiselle Cynthia hinuntergehen und ihn holen.»
    «Dann wussten Sie also, was Sie finden würden?»
    «Nein, überhaupt nicht. Ich hatte auf Grund Ihrer Erzählung nur gemerkt, dass es für Monsieur Lawrence möglich war, zum Giftschrank zu gehen. Diese Möglichkeit musste entweder bestätigt oder ausgeschlossen werden.»
    «Poirot, Ihre Fröhlichkeit täuscht mich nicht. Das ist eine sehr wichtige Entdeckung.»
    «Ich weiß es nicht. Aber eine Sache fiel mir auf. Zweifellos ist sie Ihnen auch aufgefallen.»
    «Was denn?»
    «Dass es in diesem Fall viel zu viel Strychnin gibt. Dies ist nun schon das dritte Mal, dass wir darauf treffen. Es gab Strychnin in der Medizin von Mrs. Inglethorp. Strychnin wurde von Mr. Mace in der Apotheke von St. Mary verkauft. Jetzt haben wir noch mehr Strychnin, mit dem ein Familienmitglied zu tun hatte. Das ist sehr verwirrend, und wie Sie wissen, kann ich Verwirrung nicht leiden.»
    Bevor ich antworten konnte, steckte einer der Belgier den Kopf zur Tür herein.
    «Unten ist eine Dame, sie will Mr. Hastings sprechen.»
    «Eine Dame?»
    Ich sprang auf. Poirot folgte mir die Treppe hinunter. Mary Cavendish stand in der offenen Tür.
    «Ich habe gerade eine alte Frau im Dorf besucht», erklärte sie, «und Lawrence sagte mir, Sie seien bei Monsieur Poirot, also dachte ich, ich komme vorbei.»
    «Oh, Madame», sagte Poirot, «ich dachte schon, Sie würden mir die Ehre eines Besuches erweisen.»
    «Wenn Sie mich einladen, komme ich gern einmal», versprach sie ihm lächelnd.
    «Sehr schön. Falls Sie jemals einen Beichtvater brauchen, Madame» – sie zuckte leicht zusammen –, «denken Sie daran, Papa Poirot steht Ihnen immer gern zu Diensten.»
    Sie starrte ihn kurz an, als ob sie eine verborgene Bedeutung in seinen Worten erraten wollte. Dann drehte sie sich unvermittelt um.
    «Kommen Sie, Monsieur Poirot, wollen Sie uns nicht auf dem Rückweg begleiten?»
    «Aber gern, Madame.»
    Während des ganzen Heimwegs nach Styles redete Mary schnell und fieberhaft. Mir kam es so vor, als fürchtete sie sich vor Poirots Augen.
    Das Wetter war umgeschlagen und der scharfe Wind war fast herbstlich. Mary zitterte ein wenig und knöpfte ihren schwarzen Mantel zu. Der Wind in den Bäumen

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