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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornell Woolrich
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Außenstehender einmischt. Man weiß ja, wie das so geht.
Ich schau morgen nochmal rein, und Sie können mir sagen, wofür Sie sich
entschieden haben. Denn wenn Sie ihn exhumieren lassen wollen, hätte ich gerne
einen Exklusivbericht für meine Zeitung .« Er zeigte
auf den Presseausweis an seinem Hutband, auf dem der Name Bulletin stand.
    »Ich werde dafür sorgen, daß Sie ihn
bekommen«, versprach sie. »Guten Abend.«
    Als Archer von seinem Spaziergang
zurückkam, wartete sie, bis er seinen Mantel aufgehängt hatte und sich mit
einem Seufzer auf den Stuhl fallen ließ, auf dem er vorher gesessen hatte. Dann
sagte sie es ihm.
    »Stephen, ich weiß jetzt, wo er ist !« platzte sie voller Zuversicht heraus.
    Er hörte auf, sich mit den Fingern
durchs Haar zu fahren, hob den Kopf und sah sie an: »Bist du diesmal sicher,
oder ist es wieder nur ein falscher Alarm ?«
    »Nein, diesmal bin ich sicher !« Ohne Westcott oder seinen Besuch zu erwähnen, schilderte
sie ihm rasch dessen Theorie und auch die Gedankengänge, durch die er zu dieser
Schlußfolgerung gelangt war. »Deswegen bin ich sicher, daß der Schein dort ist,
bei ihm — im Sarg. Er hat den Anzug nur ein einziges Mal angehabt, an einem
Sonntag nachmittag, da ging er spazieren und hat in einer Kneipe ein paar Bier
getrunken. Wo hätte er den Schein sonst kaufen sollen? Und dann hat er ihn
einfach in dem Anzug gelassen, weil er wußte, daß ich ihn dort nicht so schnell
finden würde .«
    Sie hatte erwartet, daß er ganz aus dem
Häuschen geraten und nicht einmal ihre anfänglichen Bedenken, die sie
mittlerweile überwunden hatte, hegen würde. Nicht, daß ihn ihre Argumentation
nicht überzeugt hätte. Das sah sie mit einem Blick daran, wie sich sein Gesicht
zunächst erhellte; doch dann wurde er plötzlich merkwürdig blaß.
    »Dann können wir das Ganze vergessen«,
meinte er heiser.
    »Aber Stephen, wieso denn? Wir brauchen
doch nur eine Erlaubnis, um...«
    Seine Blässe war nicht zu übersehen.
Aus irgendeinem Grund war er aschfahl geworden. Sie dachte, es sei Widerwille.
»Das werd ich nicht zulassen! Wenn der Schein da ist, dann bleibt er auch da !«
    »Aber Stephen, das versteh ich nicht.
Harry hat dir doch gar nichts bedeutet, warum sollte es dir also so viel
ausmachen? Wenn ich nichts dagegen habe, warum dann du ?«
    »Weil das — das ist ein Sakrileg! Da
kommt mir das kalte Grausen! Wenn wir einen Toten in seiner Ruhe stören müssen,
um an das Geld zu kommen, dann verzichte ich lieber darauf !«
    Er war aufgesprungen, stützte sich mit
einer Faust auf die Tischplatte. Das Handgelenk, auf dem sein Gewicht lag,
zitterte heftig. »Außerdem bin ich abergläubisch. Aus einem Sarg kann nichts
Gutes kommen .«
    »Aber Stephen, abergläubisch bist du
doch wirklich nicht !« Sie widersprach ihm freundlich,
aber entschieden. »Du legst doch immer so großen Wert darauf, extra unter
irgendwelchen Leitern durchzugehen, um zu beweisen, daß du nicht abergläubisch
bist. Und jetzt sagst du so was !«
    Ihre Beharrlichkeit konnte ihn nicht
beruhigen; im Gegenteil, sie schien ihn vollends aus der Fassung zu bringen.
Seine Stimme bebte. »Als dein Ehemann verbiete ich dir, die Ruhe dieses Toten
zu stören !«
    Sie starrte ihn verständnislos an. »Was
um Himmels willen regt dich denn daran so auf? Du bist ja käsebleich! So hab
ich dich noch nie gesehen !«
    Er zerrte an seinem Hemdkragen, als
müßte er ersticken. »Ich will nichts mehr davon hören! Vergiß, daß es jemals so
einen Wettschein gegeben hat! Vergiß die hundertfünfzigtausend Dollar !« Mit diesen Worten schenkte er sich einen doppelten
Whiskey ein, kippte aber die Hälfte daneben, weil seine Hand so stark zitterte.
     
    Die kleine Mrs. Archer stieg, sichtlich
aufgeregt, nach Westcott aus dem Taxi. In dem fahlen Licht der Bogenlampen am
Friedhofseingang wirkte ihr Gesicht trotz seiner Bräune kalkweiß. Ein
Nachtwächter, der bereits über die Absichten dieser nächtlichen Besucher
informiert war, erwartete sie schon am großen Gittertor und öffnete ihnen einen
kleinen Fußgängereinlaß, der seit Sonnenuntergang geschlossen war.
    »Machen Sie sich keine Vorwürfe .« Der Zeitungsreporter versuchte, sie zu beruhigen. »Was
wir hier tun, ist schließlich kein Verbrechen. Wir haben einen
Gerichtsbeschluß, rechtskräftig ausgefertigt, alles ist völlig legal. Außer
Ihrer Zustimmung brauchen wir nichts, und Sie haben den Antrag unterschrieben.
Archer hat nichts damit zu tun. Sie sind Harrys Witwe;

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